Leitsatz
Der GmbH-Gesellschafter ist den Gesellschaftsgläubigern gegenüber grundsätzlich nicht verpflichtet, das Gesellschaftsunternehmen fortzuführen. Will er die Unternehmenstätigkeit einstellen, muss er sich dabei aber des dafür im Gesetz vorgesehenen Verfahrens bedienen. Entzieht er der Gesellschaft Vermögenswerte, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt, kann er für die Gesellschaftsschulden persönlich haften. Diese Haftung kann auch denjenigen treffen, der zwar nicht an der GmbH, wohl aber an einer Gesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits Gesellschafterin der GmbH ist, jedenfalls wenn er einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben kann.
Sachverhalt
Der Beklagte ist mit einer Beteiligung von 50 % Gesellschafter und Geschäftsführer der E-GmbH. Die übrigen Anteile halten seine Ehefrau und seine Tochter. Die Kläger sind Gläubiger der Z-GmbH. Mit Vertrag vom 29.7.1996 erwarb die E-GmbH sämtliche Anteile an der Z-GmbH, zu deren Alleingeschäftsführer der Beklagte bestellt wurde. Nach der Behauptung der Kläger erwarb er in der Folgezeit die Geschäftsanteile an der Z-GmbH. Der Vertragshändlervertrag zwischen der Z-GmbH und der B-AG, der eine Laufzeit bis zum 31.12.1998 hatte, wurde zum 30.9.1996 unter Mitwirkung des Beklagten einvernehmlich beendet. Seitdem war die Z-GmbH nicht mehr in der Lage, Neufahrzeuge der B-AG zu verkaufen und Original-Ersatzteile zu erhalten. Ihr Fahrzeugbestand wurde im Wesentlichen von der E-GmbH übernommen. Ihre Mitarbeiter wurden für die E-GmbH tätig. Nach dem Vortrag des Beklagten zahlte die E-GmbH für jeden von ihr verkauften Wagen eine Provision von 2 % an die Z-GmbH. Am 7.7.1998 wurde die Liquidation der Z-GmbH eingeleitet. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde mangels Masse zurückgewiesen.
Die Kläger nehmen den Beklagten auf Zahlung in Anspruch, nachdem Vollstreckungsversuche in das Vermögen der Z-GmbH erfolglos geblieben sind. Der BGH hob die den Beklagten zur Zahlung verurteilende Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück.
Entscheidung
Der Gesellschafter einer GmbH haftet für die Gesellschaftsschulden entgegen § 13 Abs. 2 GmbHG persönlich, wenn er auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht nimmt und der Gesellschaft durch offene oder verdeckte Entnahmen ohne angemessenen Ausgleich Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt (sog. existenzvernichtender Eingriff). Ein Vermögensentzug in diesem Sinne kann auch dann vorliegen, wenn der Gesellschaft Geschäftschancen entzogen werden mit dem Ziel, sie auf die Gesellschafter zu verlagern. Dies gilt auch für den mittelbar – etwa über einen Treuhänder oder Strohmann – Beteiligten sowie für denjenigen, der an einer Gesellschafterin der Gesellschaft beteiligt ist. Letzterer ist dann wie ein unmittelbarer Gesellschafter zu behandeln, wenn er über die zwischengeschaltete Holding einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann. In dieser Lage ist nicht auf die formaljuristische Konstruktion, sondern auf die tatsächliche Einflussmöglichkeit abzustellen. Wer wie ein Gesellschafter handelt, muss sich auch wie ein Gesellschafter behandeln lassen. Der Beklagte erfüllt nach Auffassung des Senats wegen seiner 50 %-Beteiligung und seiner Geschäftsführerstellung diese Voraussetzungen.
Einen existenzvernichtenden Eingriff sieht der BGH nach dem bisherigen Streitstand aber nicht als gegeben an. Er weist darauf hin, dass es einem Gesellschafter freisteht, den Geschäftsbetrieb einzustellen oder eine sich ihm bietende Geschäftschance nicht zu ergreifen. Erst recht ist er nicht verpflichtet, die Ertragskraft des Gesellschaftsunternehmens durch Investitionen zu erhalten oder wiederherzustellen. Will er die Unternehmenstätigkeit einstellen, muss er sich dabei aber des dafür im Gesetz vorgesehenen Verfahrens bedienen. Überträgt er dagegen Vermögenswerte der Gesellschaft auf sich selbst oder auf eine andere Gesellschaft, an der er beteiligt ist, ohne dafür eine marktgerechte Gegenleistung zu erbringen, verhält er sich unredlich. Er beendet dann nicht nur die Gesellschaft, sondern entzieht ihr das vorhandene Vermögen und beraubt sie dadurch der Möglichkeit, wenigstens in diesem Umfang ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Hierin kann ein haftungsauslösendes Verhalten liegen. Entsprechende Aufklärung muss das OLG nochmals versuchen.
Praxishinweis
Ein existenzvernichtender Eingriff könnte sich nach Meinung des BGH auch daraus ergeben, dass es der Beklagte unterlassen hat, im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertraghändlervertrags der Z-GmbH mit der B-AG einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB gegenüber der B-AG geltend zu machen. Insoweit muss die Vorinstanz gleichermaßen Prüfungen durchführen.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 13.12.2004, II ZR 206/02