Leitsatz

Keine Haftung des Rechtsnachfolgers (Zustandsstörers) für bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums durch den Voreigentümer (Handlungsstörer) und Schadensfolgen daraus

 

Normenkette

§ 15 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 823 BGB, § 1004 BGB

 

Kommentar

1. Aufgrund vereinbarter (und auch erteilter) Verwalterzustimmung war ein Wohnungseigentümer berechtigt, seine Wohnung als Zahnarztpraxis nutzen zu lassen. Auf Wunsch der Rechtsnachfolgerin ließ er noch nach bauaufsichtlicher Genehmigung eine statisch tragende Zwischenwand in der Wohnung entfernen; durch unsachgemäße Bauausführung senkte sich die Decke über der herausgenommenen Zwischenwand und damit auch ein Teil des Fußbodens der Wohnung eines anderen Miteigentümers. Im Anschluss daran wurde gemäß statischer Berechnungen ein Stahlträger eingezogen und auch Schadenersatz geleistet.

2. Miteigentümer beantragten nunmehr gegen die Rechtsnachfolgerin, welche ihre Wohnung (teilweise) zum Betrieb einer Zahnarztpraxis vermietet hatte, Unterlassung dieser Zahnarztpraxisnutzung und Wiederherstellung der früheren Zwischenwand. Der Senat bestätigte hier die verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts, dass von der Zahnarztpraxis keine Beeinträchtigungen ausgingen, die im Sinne der Teilungserklärung einen wichtigen Grund für die Unterlassung einer freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit darstellten. Selbst ohne entsprechende Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung sei in bestimmten Fällen, wie etwa bei Anwalts- oder Arztpraxen auch der Zutritt eines größeren Personenkreises zu einer Wohnung hinzunehmen; dies gelte umso mehr, wenn, wie im vorliegenden Fall, im Haus bereits zwei gewerblich betriebene Büros und eine Gaststätte vorhanden seien.

3. Allerdings sei verantwortlich für die Rückgängigmachung eigenmächtig vorgenommener baulicher Veränderungen der im Zeitpunkt der Baumaßnahme eingetragene Wohnungseigentümer als Handlungsstörer; eine Haftung gehe hier nicht auf einen Rechtsnachfolger im Wohnungseigentum über. Bis zur Eigentumsumschreibung hätte der Voreigentümer (Rechtsvorgänger) im WE-Verfahren auf Wiederherstellung der entfernten Zwischenwand (als tragendes Element im Gemeinschaftseigentum befindlich) in Anspruch genommen werden können; nach Eigentumsumschreibung auf die Erwerberseite seien diese Ansprüche allenfalls im ordentlichen Zivilprozess gegen den Voreigentümer geltend zu machen, wegen Unmöglichkeit der Wiederherstellung durch den Rechtsvorgänger allenfalls als Schadenersatzansprüche. Eine Rechtsnachfolge in Wiederherstellungsansprüche aus Handlungsstörung sei jedenfalls nicht anzuerkennen, weil es an einer gesetzlichen Überleitung von Verbindlichkeiten aus Rechtsverstößen eines Rechtsvorgängers auf den Nachfolger im Wohnungseigentum fehle. Die Rechtsnachfolgerin habe ihr Wohnungseigentum in der jetzigen Gestalt erworben; vor dem Erwerb habe kein eine Haftung auslösendes Rechtsverhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern bestanden (BayObLG, NJW-RR 1986, 954 = WE 1986, 99 und WE 1987, 89). Vorliegend habe also der Voreigentümer in zwingendes Gemeinschaftseigentum durch Entfernung der tragenden Zwischenwand eingegriffen. Damit sei Gemeinschaftseigentum verletzt worden und ein Wiederherstellungsanspruch aller übrigen Eigentümer entstanden, über dessen Realisierung auch die gesamte Gemeinschaft nach Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung beschließen könne. Die Wiederherstellung habe ggf. auf Kosten der Gemeinschaft zu erfolgen, welche evtl. den Voreigentümer als Handlungsstörer für Schäden haftbar machen könne. Die Rechtsnachfolgerin als jetzige Eigentümerin habe allenfalls eine ordnungsgemäß beschlossene Wiederherstellung zu dulden. Dass hier das betroffene Gemeinschaftseigentum räumlich im Sondereigentum gelegen sei, ändere an diesem Ergebnis nichts.

 

Link zur Entscheidung

( KG Berlin, Beschluss vom 10.07.1991, 24 W 6574/90)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

In ähnlichem Sinne KG Berlin v. 17. 7. 1991, 24 W 881/91: "Lassen Teilungserklärung und Aufteilungsplan die genaue Deckenhöhe eines Nebenraumes offen, kann ein Wohnungseigentümer aus einer vor seinem Eigentumserwerb vorgenommenen Tieferlegung dieser Decke weder Rechte gegen die Gemeinschaft noch gegen den durch die Vergrößerung seines Wohnraums begünstigten Wohnungseigentümer (aus dem Gesichtspunkt sog. Zustandshaftung) geltend machen."

[Vgl. auch BayObLG, Entscheidung v. 23. 7. 1992, Az.: 2Z BR 57/92.]

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