Leitsatz

Eine haftungsbegründende Firmenfortführung ist immer dann gegeben, wenn ein Unternehmen in seinem wesentlichen Bestand fortgeführt wird.

 

Sachverhalt

Der Kläger nimmt die Beklagte als Unternehmenserwerberin nach § 25 Abs. 1 HGB auf Zahlung von Vergütungsansprüchen aus anwaltlicher Vertretung der P-KG in Anspruch. Diese betrieb jahrelang in einer gemieteten Halle eine Diskothek mit Gastronomie. Nachdem es zu finanziellen Problemen gekommen war, übernahm die Beklagte die Diskothek. Sie benutzte das Inventar weiter, übernahm einen Großteil der Mitarbeiter und führte den Betrieb ohne Unterbrechung und im Einverständnis mit der KG unter deren Kurzbezeichnung "P" weiter. Die Klage war erfolgreich.

 

Entscheidung

Von einer Unternehmensfortführung ist dann auszugehen, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden[1]. Dabei kommt es nur auf die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung an, nicht hingegen darauf, ob ihr ein rechtsgeschäftlicher Erwerb zugrunde liegt.

Die Fortführung der kaufmännischen Firma ist beim Wechsel des Inhabers eine der zwingenden Voraussetzungen für die Auslösung der Haftung des Erwerbers, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt[2]. § 25 HGB greift danach ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des geschäftlichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firma fortgeführt wird. Weitere Voraussetzung hierfür ist, dass diese Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Geschäftsverkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt[3]. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die alte Firma unverändert fortgeführt wird. Es genügt, dass der prägende Teil der alten Firma beibehalten wird. In der Streitsache bestand der prägende Teil der Firma der KG in der Bezeichnung "P", unter der die Diskothek eingeführt und bekannt war. Die Firma der Beklagten enthält genau diese bekannte Bezeichnung. Das reicht zur Annahme einer Firmenfortführung aus.

Die Tatsache, dass ein zahlungsunfähiges und insolventes Unternehmen fortgeführt wird, steht der Anwendung des § 25 HGB nicht entgegen. Sie tritt auch unabhängig davon ein, ob das übernommene und fortgeführte Unternehmen noch einen zur Befriedigung seiner Gläubiger ausreichenden Wert verkörpert.

 

Praxishinweis

Die Haftung des Erwerbers erstreckt sich auf sämtliche Firmenverbindlichkeiten und kann nach § 25 Abs. 2 HGB nur durch eine entsprechende Eintragung im Handelsregister oder aber durch explizite Mitteilungen an die betroffenen Gläubiger ausgeschlossen werden. Der Betriebsübernehmer haftet zudem nach § 75 AO für Steuerrückstände. Diese Haftung ist allerdings auf das letzte vor der Betriebsübereignung liegende Kalenderjahr sowie auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränkt. Außerdem müssen die betroffenen Beträge binnen eines Jahres nach Anmeldung des Betriebs festgesetzt worden sein[4].

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 28.11.2005, II ZR 355/03

[1] Vgl. bereits BGH-Urteil vom 16.1.1984, II ZR 114/83, NJW 1984, S. 1186
[3] Vgl. ebenda
[4] Ausführlich Kruse, in: Tipke/Kruse, AO und FGO, Köln, § 75 Rz. 52ff. (Stand: März 2005)

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