Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Führt der Verwalter Beschlüsse trotz Anfechtung aus, ist er bei nachträglich festgestellter Beschlussungültigkeit nicht schadenersatzpflichtig
Normenkette
§ 23 Abs. 4 WEG, § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG
Kommentar
Wird ein bereits vollzogener Eigentümerbeschluss nachträglich auf Anfechtung hin gerichtlicherseits für ungültig erklärt, können Schadenersatzansprüche, die aus seiner Durchführung hergeleitet werden, nicht gegen den Verwalter allein deshalb geltend gemacht werden, weil er die beschlossenen Maßnahmen vollzogen hat. Ein Verwalter ist gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG verpflichtet, Beschlüsse der Eigentümer durchzuführen, solange diese nicht gem. § 23 Abs. 4 WEG für ungültig erklärt sind (hier: Ausführung eines angefochtenen Beschlusses über die Verlegung eines Wäschetrockenplatzes). Für die von Wohnungseigentümern getroffenen Entscheidungen ist der Verwalter nicht verantwortlich, sodass er insoweit auch nicht bei später festgestellter Ungültigkeit eines Beschlusses schadenersatzpflichtig werden kann. Die in einem solchen Fall gegebenen Ansprüche überstimmter Wohnungseigentümer, die im Vollzug eines ungültigen Beschlusses veranlassten Maßnahmen rückgängig zu machen und die Folgen zu beseitigen, richten sich gegen die Wohnungseigentümer als Veranlasser, nicht jedoch gegen den Verwalter, der mit der Durchführung beschlossener Maßnahmen lediglich seine gesetzliche Verpflichtung gegenüber den Eigentümern erfüllte.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 21.02.1990, BReg 1 b Z 43/88)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Im vorliegenden Fall ist das Entscheidungsergebnis sicher nicht zu beanstanden. Dennoch meine ich nach wie vor, dass Verwaltern bei erkennbaren rechtlichen Zweifeln der Gültigkeit eines Mehrheitsbeschlusses, obendrein in Kenntnis einer erfolgten (überzeugend begründeten) Beschlussanfechtung, auch eine Ermessensentscheidung dahingehend eingeräumt werden müsste, Beschlüsse nicht stets sofort im Rahmen der grds. gesetzlichen Verpflichtung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG durchführen zu müssen, zumal dann nicht, wenn sich erkennbar etwaige Rückabwicklungen schwierig, vielleicht überhaupt nicht oder zumindest nur mit erheblichen neuerlichen Kosten realisieren lassen würden. Ein gerichtlich für ungültig erklärter Beschluss ist bekanntlich von Anfang an ungültig. Der späteren Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands könnten erhebliche Hemmnisse im Wege stehen, man denke z. B. an die sofortige Durchführung eines sehr (zu) teuren Sanierungsbeschlusses, verbunden mit nachteiligen baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums (vgl. hierzu Deckert in PiG 1989, S. 45, Heft Nr. 30). Sicher ist ein Verwalter bei dennoch sofort vollzogener Beschlussfassung und einer etwaigen Ermessensfehlentscheidung nicht schadensersatzpflichtig, allerdings wohl auch dann nicht, wenn er mit der Durchführung eines Beschlusses im Einzelfall u.U. zumindest bis zum Abschluss der ersten Anfechtungsgerichtsinstanz nach gewissenhafter Ermessensentscheidung und Güterabwägung eine Ausführung eines Beschlusses noch zurückstellen würde. Beschlussanfechtenden Antragstellern sei jedoch in strittigen Fällen gültiger Beschlussfassung empfohlen, eine einstweilige Anordnung des Gerichts zu erbitten, die es einem Verwalter eventuell untersagt, einen Beschluss sofort auszuführen (man denke hier z. B. an bauliche Veränderungsbeschlüsse über das Fällen von Bäumen mit kaum wiedergutzumachenden Schäden nach etwa sofortigem Beschlussvollzug).