Leitsatz
Der Straftatbestand der Beitragsvorenthaltung (§266a StGB) ist ein Schutzgesetz im Sinne von §823 Abs.2 BGB.
Sachverhalt
Der Beklagte war im Jahr 2000 Geschäftsführer der E-GmbH, auf deren am 18.8.2000 gestellten Antrag am 22.3.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Für Mai, Juni und Juli 2000 blieb die E-GmbH die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 13795EUR schuldig. Die klagende Innungskrankenkasse verlangt als zuständige Einzugsstelle von dem Beklagten, gestützt auf §823 Abs.2 BGB i.V.m. §266a StGB, Ersatz dieses Betrags. Der Beklagte hat sich darauf berufen, ihm sei die Abführung der Arbeitnehmeranteile mangels liquider Mittel zu den Fälligkeitszeitpunkten nicht möglich gewesen. Der BGH hob die verurteilende Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung zurück.
Entscheidung
§266a StGB ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH Schutzgesetz i.S.d. §823 Abs.2 BGB. Derartige Zuwiderhandlungen können also zur Verpflichtung des Täters führen, den Einzugsstellen den insoweit entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Geschäftsführer einer GmbH haftet indes nicht nach dieser Bestimmung, soweit ihm die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zum Fälligkeitszeitpunkt mangels verfügbarer Mittel nicht möglich war. Die Sozialversicherungsträger müssen in diesem Zusammenhang den Nachweis führen, dass der von ihnen in Anspruch Genommene in der Lage war, seinen Obliegenheiten nachzukommen. Die Kasse darf mithin nicht "ins Blaue hinein" vortragen, die Gesellschaft sei zahlungsfähig gewesen und habe an andere Gläubiger gezahlt. Vielmehr ist hierzu ein konkreter und unter Beweis gestellter Sachvortrag nötig. Auch der Umstand, dass der Geschäftsführer nur zögerlich oder gar nicht mit dem Insolvenzverwalter zusammenarbeitet, führt nicht zu Beweiserleichterungen. Denn die auf den §§22 Abs.3, 97 InsO beruhenden Mitwirkungspflichten dienen allein der effektiven Durchführung des Insolvenzverfahrens, nicht aber der Erleichterung der Anspruchsverfolgung durch Gläubiger des Leitungsorgans.
Praxishinweis
Der BGH weist ergänzend auf die Möglichkeit des Insolvenzverwalters hin, Zahlungen an die Sozialkasse nach der InsO anzufechten. Ist dies möglich, entfällt mangels Kausalität zwischen der Nichtabführung und der offenen Forderung der Kasse ein Schaden i.S.d. §823 BGB. Überdies bestätigt der BGH ausdrücklich seine Auffassung, dass §266a StGB in der Insolvenzsituation keinen Vorrang der Ansprüche der Sozialkasse vor anderen Gläubigern begründet. Der Geschäftsführer, der in dieser Lage die Arbeitnehmeranteile noch vorrangig abführt, statt das Gebot der Massesicherung zu beachten, handelt nach Auffassung des Gerichts nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 18.4.2005, II ZR 61/03