Leitsatz
Die Haftung des Teilnehmers an einer Insolvenzverschleppung erstreckt sich nicht auf Neugläubigerschäden, die ohne sein Wissen durch kriminelle Machenschaften des (Mit-)Geschäftsführers im Stadium der Insolvenzverschleppung verursacht werden.
Sachverhalt
Der Kläger war ab 1973 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der G-GmbH, die u.a. kommunale Schuldscheindarlehen vermittelte. Ab 1989 trat bei der G-GmbH eine massive Verlustsituation ein, die auch aus den Jahresabschlüssen für 1991 und 1992 deutlich wurde. Dennoch vereinbarten der Kläger und sein Mitgeschäftsführer S, eine günstigere Zinsentwicklung abzuwarten und die Bilanzergebnisse noch nicht zum Anlass für einen Konkursantrag zu nehmen. Ab November 1994 veranlasste S ohne Wissen des Klägers betrügerische Doppelabtretungen von Forderungen aus Schuldscheindarlehen, indem er dem jeweils zweiten Abtretungsempfänger Fotokopien der nur zu Beweiszwecken dienenden kommunalen Schuldscheine übersandte.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Beklagte den Kläger mit ihrer Widerklage auf Ersatz eines Teils ihres Schadens aus den Doppelabtretungen in Höhe von 10 Mio. DM in Anspruch. Der BGH hob eine verurteilende Entscheidung der Vorinstanz auf.
Entscheidung
Auch der Gehilfe haftet unter Umständen auf Schadensersatz. Die Voraussetzungen dafür richten sich nach strafrechtlichen Grundsätzen. Nach § 27 Abs. 1 StGB ist Beihilfe die vorsätzliche Hilfeleistung zur Vorsatztat eines anderen. Objektiv muss die Beihilfehandlung zwar nicht für den Taterfolg ursächlich gewesen sein, die tatbestandsmäßige Handlung aber gefördert, erleichtert oder den Täter in seinem Entschluss zur Tatbegehung bestärkt haben. In subjektiver Hinsicht ist im Fall des § 64 Abs. 1 GmbHG neben einem entsprechenden Vorsatz des Täters zumindest die Erkenntnis des Gehilfen erforderlich, dass der Geschäftsführer den Konkursantrag trotz gegebener Konkursreife pflichtwidrig unterlässt. Hier kannte der Kläger zwar den desolaten wirtschaftlichen Zustand der GmbH in den Jahren 1991 und 1992; die Manipulationen des S in den Folgejahren waren mit ihm aber nicht abgesprochen. Insoweit handelt es sich um einen Exzess des Haupttäters, für den der Kläger weder strafrechtlich noch zivilrechtlich haftet.
Dabei ist es unbeachtlich, dass es zu den verfahrensgegenständlichen Geschäften nicht gekommen wäre, hätte die Geschäftsführung der G-GmbH bereits im Jahre 1991 Konkursantrag gestellt. Der Schutzzweck der einschlägigen Schadensersatzbestimmungen erfasst derartige Schadenskonstellationen nicht. Ein Geschädigter kann nur für solche Schadensfolgen Ersatz verlangen, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen. Es muss sich um Folgen handeln, die in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde. Notwendig ist ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflicht- oder Normverletzung und dem Schaden, nicht nur eine mehr oder weniger zufällige äußere Verbindung. Der Schutzzweck der gesetzlichen Konkursantragspflichten besteht darin, konkursreife Gesellschaften vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden. Auch das betrifft aber nur Schäden, die mit der Insolvenzreife der Gesellschaft in einem inneren Zusammenhang stehen. Neugläubiger sollen davor geschützt werden, mit einer insolventen GmbH in Geschäftsbeziehungen zu treten. Zu ersetzen hat der Geschäftsführer daher den Vertrauensschaden, den der Neugläubiger dadurch erleidet, dass er eine Leistung an die insolvenzreife GmbH erbringt, der kein werthaltiger Gegenanspruch gegenübersteht.
Hier beruht der Schaden der Klägerin indes nicht auf einer Konkursverschleppung, sondern auf kriminellen Handlungen des S. Diese sind vom Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG nicht erfasst. Die Insolvenzantragspflicht hat nicht den Zweck, potentielle Deliktsgläubiger davor zu bewahren, nach Insolvenzreife noch Opfer eines Deliktes zu werden. Hierfür haften (allein) die jeweiligen Täter.
Praxishinweis
Der BGH hat die Sache dennoch zurückverwiesen. Das OLG muss mögliche weitere Haftungsgrundlagen, z.B. § 826 BGB, prüfen. Insbesondere könnte hier das Betreiben von Bankgeschäften ohne die nach dem KWG erforderliche Erlaubnis doch noch eine Ersatzpflicht hervorrufen.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 25.7.2005, II ZR 390/03