Zusammenfassung
Die Haftung des Erwerbers gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 HGB (für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers) greift weder beim Kauf eines Handelsgeschäfts vom Insolvenzverwalter noch beim Kauf von einem Eigenverwalter.
Hintergrund
Die insolvente Gesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet wurde, hatte die Klägerin mit der Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten beauftragt. Im Insolvenzverfahren verkaufte der Eigenverwalter den Geschäftsbetrieb der insolventen Gesellschaft an die Beklagte. Diese wurde in der 1. Instanz zur Werklohnzahlung an die Klägerin verurteilt.
Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen, weil die Beklagte nach Ansicht des Berufungsgerichts für die Verpflichtung der insolventen Gesellschaft zur Werklohnzahlung gem. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB haftete. Anders als beim Kauf eines Handelsgeschäfts vom Insolvenzverwalter sei beim Kauf vom Eigenverwalter eine einschränkende Auslegung des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB nicht geboten, weil sich insbesondere hier die Situation aus Sicht der Gläubiger nicht anders als bei einer Veräußerung des Handelsgeschäfts vor der Insolvenz darstelle.
Das Urteil des BGH vom 03.12.2019, Az. II ZR 457/18
Die von der Beklagten eingelegte Revision hatte Erfolg. Nach dem BGH haftet die Beklagte nicht gem. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB für Altschulden. Denn die Gründe, die zum Ausschluss der Haftung gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 HGB beim Kauf eines Handelsgeschäfts durch den Insolvenzverwalter führten, seien auf den Fall des Verkaufs im Rahmen der angeordneten Eigenverwaltung übertragbar. In beiden Fällen sei der Gläubigerversammlung die Entscheidung darüber vorbehalten, wie die insolvenzrechtlichen Verfahrensziele (vor allem Stilllegung, Fortführung, Insolvenzplan, übertragende Sanierung) bestmöglich zu erreichen sind. Im Interesse der Gläubiger sei die bestmögliche Verwertung der Masse das Ziel. Eine mögliche Haftung des Erwerbers gem. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB für die Schulden des bisherigen Unternehmensträgers würde die Erfüllung dieser Aufgabe erheblich erschweren oder unmöglich machen.
Das Urteil überzeugt. Denn die Anwendung der Haftungsregel des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB würde die Insolvenz konterkarieren und den Verkauf des Handelsgeschäfts in der Insolvenz (= die übertragende Sanierung) mehr oder weniger unmöglich machen.
Findet die Haftung des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB dagegen Anwendung (Kauf des Handelsgeschäfts und Firmenübernahme / Firmenfortführung), kann und sollte die Haftung des Erwerbers des Handelsgeschäfts ausgeschlossen werden. Dies setzt die entsprechende vertragliche Vereinbarung und die Eintragung des Haftungsausschlusses ins Handelsregister voraus. Ansonsten sind solche Vereinbarungen nach § 25 Abs. 2 HGB Gläubigern gegenüber nicht wirksam.