Leitsatz
Der Geschäftsführer einer GmbH hatte nach Feststellung der Überschuldung der Gesellschaft diverse Zahlungen an die jeweiligen Sozialversicherungsträger geleistet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verklagte der Insolvenzverwalter den ehemaligen Geschäftsführer auf Ersatz dieser Sozialversicherungsbeiträge.
Der BGH hat nun klargestellt, dass die Zahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung mangels Strafbewehrung keine Ausnahme vom grundsätzlichen Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG zulässt und damit einen Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer begründet.
Hinweis
Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Feststellung der Überschuldung einer GmbH ordnet das Gesetz grundsätzlich die persönliche Haftung der Geschäftsführer für sämtliche Zahlungen der Gesellschaft an, die nach diesem Zeitpunkt geleistet wurden (§ 64 Satz 1 GmbHG). Ziel der Regelung ist es, Vermögenswerte in der Gesellschaft zusammenzuhalten und damit die Ansprüche der Insolvenzgläubiger zu schützen. Eine Ausnahme vom Grundsatz des Zahlungsverbots besteht nur für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind (§ 64 Satz 2 GmbHG). Typischerweise sind dies Zahlungen, für die die Gesellschaft eine vollwertige Gegenleistung erhält oder die erforderlich sind, um den sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern.
Dass auch die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns entspricht, hat der BGH in den letzten Jahren gleich mehrfach festgestellt. Gestützt hat er sich dabei vor allem auf den im Jahr 2000 neu eingeführten Straftatbestand der Veruntreuung von Arbeitnehmerentgelten (§ 266a StGB), der die Vorenthaltung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Wenn die Rechtsordnung aber auf der einen Seite die Nichtzahlung der Beiträge unter Strafe stellt, kann sie die Zahlung auf der anderen Seite kaum als sorgfaltswidrig beurteilen. Die Nichtzahlung der Arbeitgeberbeiträge ist dagegen nicht vom Tatbestand der Veruntreuung von Arbeitsentgelt erfasst.
Angesichts der hohen persönlichen Haftungsrisiken ist der Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen oder überschuldeten Gesellschaft kaum zu beneiden. Ob und ab wann eine Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, lässt sich im laufenden Geschäftsbetrieb darüber hinaus nur sehr schwer feststellen. Und während die Nichtzahlung von Lohn- und Umsatzsteuer sowie der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung strafrechtliche Konsequenzen haben, bergen sonstige Zahlungen (z.B. der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung) ein hohes Haftungsrisiko.
Dabei ist gerade bei den Beiträgen zur Sozialversicherung äußerste Vorsicht geboten. Da die Sozialversicherungen Zahlungen des Arbeitgebers ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung anteilig auf die fälligen Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile verrechnen (die Reihenfolge der Tilgung bei Teilzahlungen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ergibt sich aus § 4 der Beitragsverfahrensordnung), sollten Geschäftsführer einer ggf. schon insolvenzreifen Gesellschaft darauf achten, dass nur Arbeitnehmeranteile and die Sozialversicherung gezahlt werden und die Zahlungen stets die ausdrückliche Tilgungsbestimmung für die fälligen Arbeitnehmeranteile enthalten.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 08.06.2009, II ZR 147/08