Leitsatz
Unterlässt der für eine Gesellschaft auftretende Vertreter entgegen § 4 GmbHG einen Hinweis auf die bestehende Haftungsbeschränkung, kann sich (nur) für diesen eine Schadensersatzpflicht unter dem Aspekt der Rechtsscheinhaftung ergeben. Dies gilt entsprechend, wenn eine haftungsbeschränkte ausländische Gesellschaft den Zusatz unterlässt, sofern der durch den für sie auftretenden Vertreter verursachte Rechtsschein in Deutschland entstanden ist und sich dort ausgewirkt hat.
Sachverhalt
Die Kläger schlossen einen Generalunternehmervertrag über die Herstellung eines schlüsselfertigen Einfamilienhauses. Auf Seiten der Auftragnehmerin unterzeichnete die für sie bei Vertragsschluss in Vollmacht auftretende Zeugin B die Vertragsurkunde mit dem Zusatz "i. A.". Die Auftragnehmerin war im Rubrum des Vertrags wie folgt bezeichnet: "O.L. Zweigniederlassung Deutschland". Die O.L. B.V. ist eine in Holland registrierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts, die eine im deutschen Handelsregister unter der Firma "O.L. B.V. Zweigniederlassung Deutschland" eingetragene Zweigniederlassung unterhält. Geschäftsführer der Gesellschaft ist J, der Beklagte zu 1. Nach der Abnahme des errichteten Einfamilienhauses unter "Mängelvorbehalt" und erfolglosem Mängelbeseitigungsbegehren führten die Kläger ein selbständiges Beweisverfahren durch, in dem der Sachverständige die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten auf ca. 70000 EUR bezifferte. Die Kläger nehmen u.a. J wegen Schadenersatz- und Gewährleistungsforderungen in Anspruch. Das LG hatte die Klage abgewiesen, das OLG ihr stattgegeben. Die Revision führte jetzt zur Klageabweisung.
Entscheidung
Eine mögliche Rechtsscheinhaftung richtet sich allein nach deutschem materiellem Recht, selbst wenn es sich um eine Gesellschaft niederländischen Rechts handelt. Nach gefestigter Rechtsprechung haftet der für eine GmbH im Geschäftsverkehr Auftretende wegen Verstoßes gegen § 4 GmbHG aus dem Gesichtspunkt einer Rechtsscheinhaftung dann, wenn er durch sein Zeichnen der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat. Diese Rechtsscheinhaftung trifft ausschließlich den für die Gesellschaft auftretenden Vertreter selbst. Hier ist aber nicht der Beklagte J, sondern allein die von diesem wirksam bevollmächtigte Zeugin B nach außen in Erscheinung getreten. Die Beschränkung der Rechtsscheinhaftung auf den "zeichnenden" Vertreter gilt unabhängig von der Person des Handelnden und seiner rechtlichen Qualifikation und unabhängig von der Person des etwaigen Vollmachtgebers.
Eine (Mit-)Haftung des nicht unmittelbar handelnden, im Hintergrund bleibenden Gesellschaftsorgans wegen einer bloßen Mitverursachung des vom "Vordermann" gesetzten Rechtsscheins durch Verletzung sonstiger Handlungs-, Überwachungs- oder Instruktionspflichten kommt prinzipiell nicht in Betracht. Denn es handelt sich bei der Rechtsscheinshaftung um eine schuldunabhängige Garantiehaftung, die allein darauf basiert, dass die unmittelbar auftretende Person durch die dem Vertragspartner gegenüber abgegebene sachlich unzutreffende Erklärung den Vertrauenstatbestand geschaffen hat, ihm hafte zumindest eine (natürliche) Person unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen. Dieses Vertrauen kann der irregeleitete Vertragspartner gegenüber einem im Hintergrund bleibenden Dritten nicht beanspruchen, so dass die Haftung wegen des fehlenden Firmenzusatzes auf den im konkreten Fall für die Gesellschaft auftretenden Vertreter zu beschränken ist, der die falsche Erklärung abgegeben hat.
Praxishinweis
Die aufgeworfene Rechtsfrage kann in extremen Ausnahmefällen anders zu beantworten sein, etwa bei planmäßigem Vorschieben eines indolosen Bevollmächtigten durch einen Geschäftsführer zur Vermeidung einer Eigenhaftung. Der BGH lässt die Entscheidung ausdrücklich offen. Indes dürfte sich in derartigen Fällen eine Haftung bereits unmittelbar aus dem allgemeinen Deliktsrecht ergeben.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 5.2.2007, II ZR 84/05