Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn nach der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur ordentlichen Kündigung eines Schwerbehinderten der Arbeitgeber die Kündigung bereits ausgesprochen hat, besteht für den Arbeitnehmer weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zustimmung (a.A. OVG Münster, Beschl. v. 16.11.1976 br 1978 S. 13; VGH Mannheim, Beschl. v. 31.1.1984 – 6 S 12/84).
2. Zu den Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung und die Ermessensausübung der Hauptfürsorgestelle bei der Entscheidung über die Kündigungszustimmung gemäß § 15 SchwG.
Normenkette
SchwbG §§ 15, 18 Abs. 4; VwGO § 80 Abs. 5
Verfahrensgang
VG Hamburg (Beschluss vom 05.09.1996; Aktenzeichen 5 VG 4549/96) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. September 1996 geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 2./4. Juli 1996 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. Juli 1996 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung eines Widerspruchsbescheids in dieser Sache angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg.
1. Der Antrag des Antragstellers ist – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Der Antragsteller hat gegen einen Zustimmungsbescheid der Antragsgegnerin nach § 15 SchwbG, der ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Doppelwirkung im Sinne von § 80 a Abs. 1 VwGO ist – er belastet den Antragsteller und begünstigt die Beigeladene als Arbeitgeber –, Widerspruch eingelegt, der allerdings nach § 18 Abs. 4 SchwbG keine aufschiebende Wirkung hat. Daraus folgt, daß einstweiliger Rechtschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO – hier i.V. mit § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO – statthaft ist. Der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 4 SchwbG bedeutet lediglich, daß dem Widerspruch gegen einen Zustimmungsbescheid nicht bereits kraft Gesetzes – nämlich nach § 80 Abs. 1 VwGO – aufschiebende Wirkung zukommt. Durch diese Bestimmung wird indes einstweiliger Rechtsschutz nicht gleichsam von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß es auf dem Gebiet des präventiven Kündigungsschutzes nach §§ 15 ff SchwbG Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nur im Hauptsacheverfahren geben sollte. Das mehrstufige bzw. doppelspurige Rechtschutzverfahren – verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle einerseits und arbeitsgerichtlicher Rechtsschutz gegen die arbeitsrechtliche Kündigung andererseits – weist auch keine strukturellen Besonderheiten auf, die dazu nötigten, ein Rechtsschutzinteresse des Schwerbehinderten an vorläufigem Rechtsschutz gegen die Zustimmung – jedenfalls nach dem Ausspruch der Kündigung – zu verneinen oder zu meinen, für derartigen Rechtschutz sei kein Raum bzw. der einstweilige Rechtschutz liefe hier ins Leere. Derartige Rechtsansichten werden allerdings in Rechtsprechung (OVG Münster, Beschl. v. 16.11.1976, br 1978 S. 13; VGH Mannheim, Beschl. v. 31.1.1984 – 6 S 12/84 – LS in juris; wohl auch BAG, Urt. v. 17.2.1982, NJW 1982 S. 2630) und Schrifttum (Arendt, DB 1985 S. 1287, 1290; Cramer, SchwbG, 4. Aufl. 1992, § 15 Rdnr. 12; Neumann/Pahlen, SchwbG, 8. Aufl. § 15 Rdnr. 86, § 18 Rdnr. 15 f) vertreten (a.A. aber z.B. VGH München, Beschl. v. 27.6.1980, FEVS Bd. 29 S. 321; VG Saarlouis, Beschl. v. 24.10.1979, NJW 1980 S. 721). Dabei wird indes übersehen, daß auch einem Rechtsmittel gegen einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt – ein solcher ist der angefochtene Zustimmungsbescheid – aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Eine andere Frage ist es, ob die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gegen den Zustimmungsbescheid den Ausspruch einer wirksamen Kündigung durch den Arbeitgeber verhindern könnte, bzw. ob die Wirkungen einer bereits erfolgten Kündigung nach Einlegung des Rechtsmittels zunächst aufgeschoben werden. Fraglich kann also sein, worin die konkreten Folgen des Eintritts der aufschiebenden Wirkung liegen können. Gäbe es faktisch keine Folgen, bestünde auch kein Rechtsschutzinteresse für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels gegen den Zustimmungsbescheid. Indessen kann es bereits die tatsächliche Rechtsposition des gekündigten Arbeitnehmers im zeitgleich laufenden Kündigungsschutzprozeß vor dem Arbeitsgericht verbessern, wenn das zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Kündigungszustimmung berufene Fachgericht insoweit ernstliche Zweifel äußert und deshalb die aufschiebende Wirkung anordnet (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.8.1995 – OVG Bs I 22/95–). Der jetzt für das Schwerbehindertenrecht zuständige erkennende Senat sieht eine Verbesse...