Leitsatz (amtlich)

1. Zulassung zum Studium der Medizin an der Universität Hamburg zum Wintersemester 2004/2005.

2. Die Zulassung zum Studium ist nicht kapazitätsdeckend, wenn der zugelassene Studienbewerber noch vor Vorlesungsbeginn im Bewerbungssemester wieder exmatrikuliert wird.

3. Der Umstand, dass Stellen des wissenschaftlichen Lehrpersonals zum Berechnungsstichtag und/oder im Berechnungszeitraum unbesetzt oder nur teilbesetzt sind, ist allein kein zureichender Grund, diese Stellen bei der Kapazitätsberechnung unberücksichtigt zu lassen. Dies gilt auch für die Stellen wissenschaftlicher Mitarbeiter (Abgrenzung zur älteren Rechtsprechung des Beschwerdesenats, wie sie Gegenstand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. April 1990 [DVBl. 1990 S. 940] war).

4. Drittmittelbeschäftigte sind in die Berechnung des Lehrangebots nach §§ 8, 9 KapVO nicht einzubeziehen.

5. Die Universität verletzt das für eine kapazitätswirksame Vergabe zu beachtende Willkürverbot nicht, wenn sie im Vergleichswege Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität anhand einer vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rangliste endgültig an die darin aufgeführten Studienbewerber vergibt und in die Vergabe auch diejenigen einbezieht, die neben der Klage kein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (mehr) betreiben.

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Beschluss vom 04.08.2005)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 4. August 2005 geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig einen Studienplatz des 1. Fachsemesters im Studiengang Medizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2004/05 zuzuweisen, sofern die Antragstellerin die vorläufige Einschreibung bis zum 3. November 2005, 12.00 Uhr, beantragt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

I. Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Zulassung zum Studium der Medizin an der Universität H. außerhalb der festgesetzten Kapazität nach den Verhältnissen des Berechnungszeitraums 2004/2005.

Durch die Verordnung über Zulassungszahlen für die Universität H. für das Wintersemester 2004/2005 vom 15. Juli 2004 (HmbGVBl. 2004 S. 329, 330) wurde die Zahl der Studienplätze für Studienanfängerinnen und -anfänger für den Studiengang Medizin auf 349 festgesetzt. Tatsächlich hat die Antragsgegnerin 359 Studienbewerber im ersten Fachsemester zum Studium zugelassen. Mit Beschluss vom 4. August 2005 hat das Verwaltungsgericht Hamburg entschieden, dass von den bei ihm anhängigen Anträgen auf vorläufige Zulassung zum Studium der Medizin an der Universität H. außerhalb der festgesetzten Kapazität nach den Verhältnissen des Berechnungszeitraums 2004/2005 49 Anträge begründet, alle anderen Anträge unbegründet seien; der Antrag der Antragstellerin wurde abgelehnt. Entgegen den Ausführungen im Beschluss vom 4. August 2005 hat das Verwaltungsgericht die Studienplätze nicht selbst vergeben, sondern es der Antragsgegnerin überlassen, die Studienplätze im Vergleichswege nach den Vorgaben des Gerichts anhand einer vom Gericht aufgestellten Rangliste endgültig Studienbewerbern anzubieten. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung haben 41 Studienbewerber das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin angenommen und sich immatrikuliert.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

1. Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, der auch für Beschwerdeverfahren gilt, in denen Antragsteller ihren Antrag auf vorläufige Zulassung zum Studium weiter verfolgen, prüft das Oberverwaltungsgericht (zunächst) nur die dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung nach Auffassung der Antragsteller abzuändern oder aufzuheben ist. Die Darlegung erfordert dabei eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung und ein gewisses Durchdringen der Problematik (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 28.5.2004 – 13 C 20/04 –). Erst wenn das Beschwerdevorbringen die Begründung des Verwaltungsgerichts in erheblicher Weise erschüttert, indem es darlegt, dass aufgrund fehlerhafter Annahmen des Verwaltungsgerichts mindestens ein weiterer Studienplatz zur Verfügung steht, prüft das Beschwerdegericht wie ein Erstgericht, ob der geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium besteht (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2004 – 3 Nc 59/04 – m. weit. Nachw.).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, dass – ausgehend von den Annahmen des Verwaltungsgerichts – weitere Studienplätze zur Verfügung stehen würden. Die Antragstellerin hat u.a. zu Recht geltend gemacht, dass nicht alle von dem Verwaltungsgericht ermittelten 408 Studienplätze besetzt worden seien, weil sich Studenten vor Beginn der Lehrveranstaltungen des Wintersemesters 2004/2005 wieder exmatrikuliert hätten, deren Plätze noch zu vergeben seien.

Die von der Antrags...

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