Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftsrecht. Schiffahrt. Seediensttauglichkeitsverordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Ausgestaltung des Rechtsweges gegen ein negatives Seediensttauglichkeitszeugnis des von der Seeberufsgenossenschaft ermächtigten Arztes (§ 81 Abs. 1 SeemG).

2. Für die nach § 82 Abs. 1 SeemG ergehende Entscheidung der Seeberufsgenossenschaft darüber, ob und wieweit der Seemann abweichend von einem negativen ärztlichen Zeugnis über die Seediensttauglichkeit in der Seeschiffahrt verwendet werden darf, sind die Bestimmungen der Seediensttauglichkeitsverordnung maßgebend. Die Behörde ist dabei nicht an die ärztlichen Feststellungen des ermächtigten Arztes gebunden. Ihre Entscheidung unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.

3. Der in der Anlage 1 der Seediensttauglichkeitsverordnung aufgeführte Katalog von Erkrankungen, gesundheitlichen Schäden und Schwächen ist nicht abschließender Natur. Alle nicht erfaßten gesundheitlichen Störungen, die in vergleichbarem Maße wie die aufgeführten Störungen befürchten lassen, daß der Betroffene den Anforderungen seines Dienstzweiges nicht gewachsen ist oder daß er selbst oder andere Personen an Bord oder die Schiffssicherheit gefährdet werden, führen ebenfalls zur Seedienstuntauglichkeit.

 

Normenkette

SeemG § 81 Abs. 1, § 82 Abs. 2

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Urteil vom 25.05.1982; Aktenzeichen 11 VG 2349/81)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 25. Mai 1982 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Wegen der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Seedienstfähigkeit des Klägers.

Der im Jahre 1938 geborene Kläger fuhr von 1969 bis 1980 mit entsprechenden Seediensttauglichkeitszeugnissen des Seeärztlichen Dienstes der Beklagten zur See. Das letzte, wegen fehlender Farbtüchtigkeit auf den Maschinendienst beschränkte Tauglichkeitszeugnis erhielt er am 10. April 1980.

Im Zusammenhang mit einer Krankmeldung gelangte ein Auszug aus dem Maschinen-Tagebuch des MS „A.” vom 12. November 1972 zu den Akten der Beklagten, in dem der Maschinist des Schiffes eine Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Kläger im Maschinenraum schilderte. Darin hieß es u.a., der Kläger sei ihm „an die Kehle” gesprungen und habe „mit der Turmstange” nach ihm geworfen. Der Kläger hat diese Darstellung später bestritten.

Von 1979 an stellte sich der Kläger dem Seeärztlichen Dienst verschiedentlich zur Untersuchung seiner Arbeitsfähigkeit vor. Im Untersuchungsbefund vom 28. Februar 1979 vermerkte der untersuchende Arzt Dr. E. der Kläger mache „einen stark vegetativen Eindruck, feuchte Hände”. Am 8. Januar 1980 schilderte der Kläger dem untersuchenden Arzt Dr. H. seine Ehefrau sei seit dem 10. Oktober 1979 wegen des Verdachtes auf Rauschgifthandel inhaftiert. Ihm werde eine Besuchserlaubnis verweigert. Seitdem sei er „nervlich fertig”. Dr. H. attestierte daraufhin neben einer abgeklungenen Bronchitis einen „nervösen Erschöpfungszustand”.

Am 3. September 1980 begab sich der Kläger auf die Überweisung des ihn damals behandelnden Internisten Dr. Hu. bei Dr. L in nervenfachärztliche Behandlung. Dieser diagnostizierte nach dem an Dr. Hu. gegebenen Bericht eine „reaktiv depressive Verstimmung, C²–Intoxikation”. In dem Bericht hieß es weiter, der Kläger habe sich wegen der Vorgänge um seine Ehefrau erheblich erregt gezeigt und als „fertig” bezeichnet. Seine Primärstruktur sei wegen der Intoxikation nicht beurteilbar gewesen.

Am 24. Oktober 1980 stellte sich der Kläger erstmals dem Nervenfacharzt Dr. M. vom Seeärztlichen Dienst der Beklagten vor. Dieser vermerkte: „Massiv vegetativ entgleist, fast praedelirant”. Am 30. Oktober 1980 vermerkte Dr. Sch. über einen weiteren Besuch des Klägers: „Den Alkoholkonsum habe er angeblich reduziert, genaue Angabe werden nicht gemacht. Dem Alkohol habe er sich zugewandt, da er Schwierigkeiten mit seiner Frau hatte, diese sei in eine Rauschgiftaffäre verwickelt und es laufe gegen sie ein Strafverfahren”. Dr. E. schilderte den Kläger bei einer weiteren Untersuchung am 2. Dezember 1980 als „hochgradig erregt”. Er mache einen zerfahrenen und erregten Eindruck, beschimpfe Staat und Behörden. Man habe seine Frau durch „Isolierhaft gefoltert” usw. Er sei in dieser Verfassung nicht einsatz fähig.

Am 6. Januar 1981 stellte sich der Kläger abermals Dr. M. zur Beurteilung der Frage vor, ob er weiter arbeitsunfähig sei. Dr. M. notierte wörtlich: „Massive vegetative Entgleisung fast praedelirant. Weiter au. Sdu auf Dauer. Besch. mitgegeben. Rundschr. Will G-Karte nicht abgeben”, über einen weiteren Besuch am 30. Januar 1981 vermerkte Dr. M. aus nervenärztlicher Sicht bestehe keine Arbeitsunfähigkeit, aber ...

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