Leitsatz
1. Art. 4 Abs. 5 und Anhang D Nr. 2 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" im Sinn dieses Anhangs das Legen eines Hausanschlusses fällt, das wie im Ausgangsverfahren in der Verlegung einer Leitung besteht, die die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines Grundstücks ermöglicht, sodass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird, für diese Leistung als Steuerpflichtiger gilt.
2. Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H Kat. 2 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" das Legen eines Hausanschlusses fällt, das wie im Ausgangsverfahren in der Verlegung einer Leitung besteht, die die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines Grundstücks ermöglicht. Zudem können die Mitgliedstaaten konkrete und spezifische Aspekte der "Lieferungen von Wasser" – wie das im Ausgangsverfahren fragliche Legen eines Hausanschlusses – mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen, vorausgesetzt, sie beachten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt.
Normenkette
Art. 4 Abs. 5, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a – Anhänge D und H der 6. EG-RL (vgl. § 2 Abs. 3, § 12 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 34 UStG)
Sachverhalt
Der Zweckverband (Z) stellte die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung im Auftrag mehrerer Städte und Gemeinden im Gebiet sicher. Die Tätigkeiten umfassten u.a. das Auffangen, die Fortleitung, die Aufbereitung und die Lieferung von Trinkwasser an seine Kunden (Grundstückseigentümer). Z legte auch die Hausanschlüsse, wofür er ein kostendeckendes Einmalentgelt erhält. Die Hausanschlussleitungen blieben im Eigentum des Zweckverbands.
Das FA wandte für das Legen des Anschlusses den Regelsteuersatz an.
Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH ergibt sich aus den Praxis-Hinweisen. Der BFH wird die Entscheidung nun im konkreten Fall umsetzen. Nach den Rahmenbedingungen des Gemeinschaftsrechts für die Steuerermäßigung kann ein Mitgliedstaat danach die Wasserlieferung und das Legen der Hausanschlüsse (sowohl isoliert als auch zusammen) mit dem ermäßigten Steuersatz besteuern, soweit er der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer beachtet. Es kann daher zur unterschiedlichen Besteuerung in den einzelnen Mitgliedstaaten kommen.
Die Ermäßigung im UStG betrifft nach Anlage 2 Nr. 34 die Lieferung von "Wasser, ausgenommen Trinkwasser .... das in zur Abgabe an Verbraucher bestimmten Fertigverpackungen in den Verkehr gebracht wird". Ob die Ermäßigung damit den Hausanschluss mit umfasst, erscheint zweifelhaft.
Hinweis
1."Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nach der 6. EG-RL zwar grundsätzlich nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen."
Ausnahme 1: Diese Behandlung führt zu Wettbewerbsbeschränkungen.
Ausnahme 2: Sie gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. Anhang D zählt dazu die "Lieferungen von Wasser". Die Mitgliedstaaten dürfen ermäßigte Steuersätze anwenden für bestimmte, in Anhang H genannte Kategorien. Auch dazu zählen die "Lieferungen von Wasser". Zweifelhaft war, was mit "Lieferungen von Wasser" in beiden Vorschriften gemeint sei. Dazu hatte der BFH mit Beschluss vom 03.11.2005, V R 61/03 (BFH/PR 2006, 157) den EuGH angerufen.
Nicht ohne Weiteres kompatibel sind die nationalen Vorschriften: Nach § 2 Abs. 3 S. 1 UStG sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art gewerblich oder beruflich tätig. Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören nach § 4 Abs. 3 des KStG u.a. Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser dienen. Nach § 12 Abs. 2 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 34 gilt der ermäßigte Steuersatz für Wasser.
2. Der EUGH ging davon aus, dass die Wasserlieferung durch die Bereitstellung von Wasser für die Allgemeinheit gekennzeichnet ist und über feste Netze zur Versorgung der Allgemeinheit erfolgtund dass ohne den Hausanschluss dem Eigentümer oder Bewohner des Grundstücks kein Wasser bereitgestellt werden könnte. Der Anschluss ist also für die Wasserbereitstellung unentbehrlich. Deshalb falle der Hausanschluss unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" i.S.d. Anhangs D Nr. 2 der 6. EG-RL und auch dann, wenn der Hausanschluss im Rahmen der öffentlichen Gewalt gelegt würde, die Sonderregelung für Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht gilt.
3. Weil der Hausanschluss für die Wasserversorgung der Allgemeinheit unentbehrlich ist, fällt er daher auch unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" in Anhang H Kategorie 2 der 6. EG-RL. Damit nicht genug: Der Wortlaut von Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-RL zwingt allerdings auch nicht zu der Auslegung, dass der ermäßigte Satz nur dann angewan...