Leitsatz

Klagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Hausgeld aufgrund eines Beschlusses ein, der später für ungültig erklärt wird, kann sie bis zur Ungültigerklärung Zinsen verlangen.

 

Normenkette

WEG § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG

 

Das Problem

  1. Nach der Gemeinschaftsordnung ist der Verwalter berechtigt und bevollmächtigt, Beschlüsse der Wohnungseigentümer zu vollziehen und Rechte und Ansprüche der "Wohnungseigentümergemeinschaft" auch im eigenen Namen und auch im Wege eines Prozesses geltend zu machen. In der Gemeinschaftsordnung heißt es u.a. wie folgt:

    … in Erweiterung der gesetzlichen Befugnisse hat der Verwalter folgende Vollmachten:

    1. Die Sondereigentümer in gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten zu vertreten;
    2. das von den Sondereigentümern zu zahlende Hausgeld einzuziehen und bei Nichtzahlung im eigenen Namen für Rechnung der Eigentümergemeinschaft gerichtlich geltend zu machen;
    3. Hauswart und sonstiges Dienstpersonal einzustellen und zu entlassen sowie Dienstverträge mit den Vorgenannten abzuschließen und aufzulösen;
    4. Wartungsverträge – auch für die zu Wohneinheiten installierten Wärmemengen- und Altwasserzahler – abzuschließen und
    5. sonstige die verwaltungsgemeinschaftlichen, eigentümerbetreffenden Verträge abzuschließen bzw. bestehende Verträge für die Wohnanlage mit Wirkung für die Eigentümergemeinschaft zu übernehmen.
  2. In einer Versammlung aus dem Jahr 2015 ist unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) 2 festgehalten:

    2. Sonderumlage

    Beschlussfassung

    Zur Sicherheit der Liquidität und bis zur Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan, wird eine einmalige Sonderumlage in Höhe von 60.000 EUR, verteilt nach MEA, sofort fällig gestellt und zum 1.12.2015 verrechnet. Jedem Eigentümer geht noch eine gesonderte Zahlungsaufforderung zu.

    Abstimmungsergebnis

    Stimmberechtigt sind 3.619 Miteigentumsanteile

    davon Zustimmungen 3.053 Miteigentumsanteile

    davon Ablehnungen 566 Miteigentumsanteile

    davon Enthaltungen 0 Miteigentumsanteile

    Beschlussfeststellung und Verkündung

    Der Beschluss ist somit mehrheitlich angenommen.

    Nachdem X angekündigt hatte, jede Einzahlung in ein gemeinschaftliches Verwaltungsvermögen zu torpedieren, musste seine ablehnende Stimmrechtsausübung als rechtsmissbräuchlich gewertet werden. Somit waren seine Stimmanteile in Höhe von 6.381 MEA abzuziehen.

    Auf Wohnungseigentümer B entfällt nach diesem Beschluss ein Betrag in Höhe von 3.396 EUR. Diesen Betrag klagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein.

  3. Das Amtsgericht gibt der Zahlungsklage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer statt. Dagegen richtet sich die Berufung von B. Während des Berufungsverfahrens wird der Beschluss zu TOP 2, auf den sich die Zahlungsklage stützt, rechtskräftig für ungültig erklärt. Die Parteien erklären daraufhin die Hauptsache – mit Ausnahme der Entscheidung über die Zinszahlungspflicht des B – übereinstimmend für erledigt. K verlangt daher weiterhin, B zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bis zur Ungültigkeitserklärung des Beschlusses zu verurteilen. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

K habe aus § 286 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

  1. Die nachträgliche Ungültigerklärung des Beschlusses ändere hieran nichts. Da die Klageverteidigung bis zur Ungültigerklärung ohne Aussicht auf Erfolg gewesen sei und so lange auch eine Zahlungspflicht des B bestanden habe, habe ihm auch die Pflicht oblegen, K die Zinsen seit Rechtshängigkeit der Klage bis zur Rechtskraft der Ungültigerklärung zu zahlen.
  2. Der Beschluss zu TOP 2 sei so lange als gültig zu behandeln, bis er durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt werde (§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG). Erst das rechtskräftige (nicht ein nur für vorläufig vollstreckbar erklärtes) Urteil beendet die Bindungswirkung. Die Erhebung der Anfechtungsklage nach § 46 WEG reiche dazu nicht aus, da die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung habe. Trotz Anfechtung des Beschlusses über die Sonderumlage sei daher die Zahlungspflicht des B bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsverfahrens bestehen geblieben.
  3. Dem stehe nicht entgegen, dass die Ungültigerklärung Rückwirkung entfalte. Für diese Zeit, in der die fälligen Forderungen dem Gläubiger vorenthalten werden, sei der hierdurch entstehende wirtschaftliche Nachteil durch Ersatz des Zinsschadens zu leisten. Zwar führe die Ungültigerklärung dazu, dass B gegebenenfalls einen Folgenbeseitigungsanspruch habe. Dieser beziehe sich aber nicht auf die Kosten des B in Bezug auf den vorliegenden Rechtsstreit (Hinweis auf LG Frankfurt am Main v. 10.8.2015, 2-13 S 88/15). Da – bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsverfahrens – in jedem Falle eine Zahlungspflicht des Wohnungseigentümers bestehe, sei die Verteidigung gegen die Inanspruchnahme mit dem Argument, der Beschluss sei ungültig, ohne jegliche Erfolgsaussicht, sodass die hierfür aufgewandten Kosten keinen kausalen Schaden durch die Beschlussfassung darstellten.
 

Kommentar

Anmerkung

  1. Auch wenn ein Beschluss ...

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