Grundsätzlich ist Musizieren, das außerhalb der eigenen Wohnung nicht zu hören ist, im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung durch Gebrauchsregelungen nicht beschränkbar, weil durch ein solches Musizieren kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt wird. Jeder Eigentümer kann sein Sondereigentum gem. § 13 Abs. 1 WEG nach Belieben nutzen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Ein Verbotsbeschluss wäre zwar nicht nichtig, da § 19 Abs. 1 WEG grundsätzlich eine Beschlusskompetenz verleiht, unter das Verbot würde aber das Musizieren, das außerhalb der Wohnung nicht vernehmbar ist, nicht fallen.

Im Einzelfall muss vom Kläger das Rechtsschutzinteresse besonders dargelegt werden. Dies ergibt sich ohne Weiteres, wenn die Musik in benachbarten Wohnungen störend laut zu hören ist. Das Rechtsschutzinteresse fehlt indes, wenn Lautstärke und Intensität des Musizierens nicht über die Nutzung eines Radios oder anderer Audiogeräte auf Zimmerlautstärke hinausgeht.

Wird das Musizieren in der Wohnung durch Beschluss verboten, soll der Beschluss bestandskräftig werden können, eine Beschlusskompetenz liege vor.[1] Die Bewertung der Zumutbarkeit, der Toleranzgrenzen etc. könnten nur innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens geprüft werden, das durch rechtzeitige gerichtliche Anfechtung nach § 23 Abs. 4 WEG eingeleitet werden müsse.

Unabhängig von der Frage, ob die Eigentümer tatsächlich die Kompetenz haben, das Musizieren in einer Wohnung generell zu verbieten, bedeutet ein beschlossenes Verbot nicht, dass jeder Verstoß gegen den Beschluss auch gerichtlich geahndet werden kann. Ein erfolgreiches gerichtliches Verfahren könnte zur Folge haben, dass dem in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer jedes weitere Musizieren unter Androhung eines Ordnungsgeldes und ersatzweise einer Haft untersagt werden könnte. Dies kann bereits vor dem Hintergrund nicht gerechtfertigt sein, als ein Musizierverbot die Tätigkeit der Musikausübung als solche untersagt, ohne auf die Auswirkungen abzustellen.

Der BGH hatte sich mit den grundsätzlichen Fragen der Musikausübung und der Ruhezeiten eingehend im Jahr 1998 zu befassen[2] und war zu folgenden Ergebnissen gekommen:

  1. Ein Eigentümerbeschluss ist in der Regel nicht allein deshalb unwirksam, weil er für die Hausbewohner eine Ruhezeit von 20 bis 8 Uhr und von 12 bis 14 Uhr vorsieht.
  2. Eine Regelung, die das Singen und Musizieren außerhalb von Ruhezeiten nur in "nicht belästigender Weise und Lautstärke" gestattet, ist mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam.
  3. Unwirksam ist auch eine Regelung, welche das Singen und Musizieren ohne sachlichen Grund stärker einschränkt als die Tonübertragung durch Fernseh-, Rundfunkgeräte oder Kassetten- bzw. Plattenspieler.
  4. Bei teilweiser Unwirksamkeit eines Eigentümerbeschlusses findet § 139 BGB entsprechend Anwendung.

Ergänzend hatte der BGH im Jahr 2018[3] klargestellt, dass sich die Frage, wann und wie lang musiziert werden darf, nicht allgemein beantworten lässt, sondern sich sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, insbesondere dem Ausmaß der Geräuscheinwirkung, der Art des Musizierens und den örtlichen Gegebenheiten. Eine Beschränkung auf 2 bis 3 Stunden an Werktagen und 1 bis 2 Stunden an Sonn- und Feiertagen, jeweils unter Einhaltung üblicher Ruhezeiten, kann als grober Richtwert dienen.

Ob Immissionsrichtwerte, wie sie sich aus der TA-Lärm oder der VDI-Richtlinie 2058 ergeben, eingehalten werden, kann der Tatrichter allerdings regelmäßig nicht aufgrund eigener Sachkunde feststellen. Darauf bezogene Feststellungen führen im Bereich des häuslichen Musizierens aber regelmäßig zu einem eingeschränkten Erkenntnisgewinn. Einerseits kann der musizierende Nachbar im Grundsatz nicht zur Einhaltung bestimmter Richtwerte verurteilt werden; ein unbefangenes Musizieren wäre nicht möglich, wenn leise Töne erlaubt, laute dagegen verboten würden. Andererseits wird eine zeitliche Begrenzung der Hausmusik trotz Einhaltung von Richtwerten häufig im Hinblick auf die Lästigkeit der Geräusche geboten sein. Als lästig können nicht nur die Besonderheiten des Übens (wie Tonleitern, abrupte Pausen, Wiederholungen und Fehler) und die Art des Instruments (hohe Frequenzen oder Impulslärm), sondern auch die schlichte Dauer der nicht selbst gewählten Geräuschkulisse empfunden werden. Zudem könnten die genannten Richtwerte ohnehin nur als Orientierungshilfe dienen, weil sie in erster Linie für den Schutz vor Arbeitslärm herangezogen werden und deshalb nicht schematisch auf das häusliche Musizieren übertragen werden können.

Zunächst ist zu beachten, dass das Musizieren innerhalb der eigenen Wohnung Bestandteil eines sozial üblichen Verhaltens und Element der Zweckbestimmung einer Wohnnutzung ist. Es darf auf bestimmte Zeiten und einen bestimmten Umfang beschränkt, nicht jedoch insgesamt verboten werden. Ein dennoch beschlossenes Verbot widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Nach Anfechtung – aber nur dann – ist ein Verbotsbeschluss gerichtlich für ungültig ...

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