Alexander C. Blankenstein
Wohnungseigentümer können durch Beschluss grundsätzlich nicht zur tätigen Mithilfe verpflichtet werden. Wirksam können Regelungen zu Reinigungs-, Streu- und Winterdiensten oder sonstigen Diensten, wie etwa Laubfegen, durch Beschluss der Wohnungseigentümer nicht getroffen werden. Zunächst hatte der BGH für den Bereich der Räum- und Streupflichten klargestellt, dass derartige den Wohnungseigentümern nicht durch Beschluss auferlegt werden können. Insoweit fehlt die erforderliche Beschlusskompetenz. Ganz grundsätzlich ist der BGH nämlich der Auffassung, dass aus der Kompetenz der Wohnungseigentümer, den Gebrauch, die Verwaltung und die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Mehrheitsbeschluss zu regeln, nicht die Befugnis folgt, den Wohnungseigentümern außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen. Entsprechendes gilt für Unterlassungspflichten. Auch derartige können den Wohnungseigentümern nicht per Beschluss auferlegt werden.
Diametral zur bereits ergangenen BGH-Rechtsprechung hatte das LG München einen Beschluss über Schneeräumpflichten durch die Eigentümer selbst als ordnungsmäßig bestätigt. Es gehe um die Delegation einer Verkehrssicherungspflicht. Die Räumpflicht stelle eine solche dar. Deren Ausübung obliege der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Mit dem Beschluss, diese Pflicht sei durch die einzelnen Eigentümer abwechselnd wahrzunehmen, werde die Pflicht auf die Eigentümer übertragen. Eine solche Delegation der Verkehrssicherungspflicht auf Dritte sei zulässig. Dem Verband bleibt die Überwachungspflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft, für die strenge Anforderungen gelten. Es handelt sich hier um eine unbeachtliche Inselentscheidung, die in nicht nachvollziehbarer Art und Weise von der maßgeblichen BGH-Rechtsprechung abweicht.
Fehlt die Beschlusskompetenz, ist ein dennoch gefasster Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig. Die Wohnungseigentümer können nicht zu einer turnusmäßigen Übernahme der Räum- und Streupflicht durch Mehrheitsbeschluss verpflichtet werden. Die Auffassung der übrigen Eigentümer, ihre Befugnis nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 WEG umfasse jedenfalls insoweit die Begründung von Mitwirkungspflichten, als diese auf die herkömmlichen Regelungsgegenstände einer Hausordnung bezogen seien, trifft hinsichtlich der Räum- und Streupflicht nicht zu. Soll deren Erfüllung auf öffentlichen Gehwegen sichergestellt werden, dient dies nicht dem Zweck einer Hausordnung, weil die Pflicht insoweit nicht auf das Gemeinschaftseigentum bezogen ist. Sie ist nur aufgrund von öffentlich-rechtlichen Vorschriften von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfüllen. Aber auch die Räum- und Streupflicht hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums, wie etwa der Zuwegung, geht über eine Regelung des Zusammenlebens der Wohnungseigentümer hinaus, weil sie auch die Verkehrssicherungspflichten gegenüber Dritten betrifft.
Die Mehrheitsmacht kann schließlich auch nicht auf die Überlegung gestützt werden, dass die Wohnungseigentümer ohnehin verkehrssicherungspflichtig seien und die Hausordnung deshalb keine neuen Pflichten begründe. Denn die Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten hat jedenfalls in dem für die Beschlusskompetenz maßgeblichen Innenverhältnis der Wohnungseigentümer gemäß § 9a Abs. 2 WEG nicht der einzelne Eigentümer, sondern der Verband sicherzustellen.
Handlungspflichten für Verwalter
Infolge dieser obergerichtlichen Klärung dürfen sich Eigentümer und Verwalter nicht auf beschlossene Regelungen über die Räum- und Streupflicht verlassen. Weil diese Regelungen keine Rechtswirkung erzeugen, müssen die Wohnungseigentümer weder räumen noch streuen. Die Pflichten müssen durch die Hausverwaltung anderweitig zuverlässig organisiert, vergeben und überwacht werden. Insoweit sollte der Verwalter sehr zeitnah für eine Beschlussfassung über die Beauftragung externer Dienstleister sorgen.
Vereinbarte Öffnungsklausel
Enthält die Gemeinschaftsordnung eine Öffnungsklausel, könnte dies zur Annahme verleiten, Regelungen zur tätigen Mithilfe könnten unproblematisch unter den formellen Voraussetzungen der Öffnungsklausel durch Beschluss getroffen werden. Dies ist allerdings nicht der Fall. Sowohl vereinbarte als auch gesetzliche Öffnungsklauseln verleihen den Wohnungseigentümern lediglich entsprechende Kompetenz zur Änderungsregelung ohne freilich deren materiell-rechtliche Reichweite zu rechtfertigen. Materiell-rechtlich sind vereinbarte Öffnungsklauseln nämlich u.a. durch unentziehbare, aber verzichtbare Mitgliedschaftsrechte begrenzt. Beschlüsse auf Grundlage einer vereinbarten Öffnungsklausel dürfen insbesondere nicht gegen das Belastungsverbot verstoßen. Auch ein Beschluss aufgrund vereinbarter Öffnungsklausel darf einzelnen Wohnungseigentümern also keine Leistungspflichten auferlegen, die sich nicht bereits aus dem Gesetz oder der bisherigen Gemeinschaftsordnung ergeben. Hiergegen verstoßende Beschlüsse aufgrund vereinbarter Öffnungsklausel werden o...