Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Auch jahrelange Übung in Abweichung zu getroffenen Vereinbarungen stellt keine wirksame Änderung der Gemeinschaftsordnung dar
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG, § 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 3 WEG, § 242 BGB, § 1004 BGB
Kommentar
1. Die übermäßige Haustierhaltung in einer Eigentumswohnung stellt auch dann, wenn - wie hier - die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung keine Beschränkung vorsieht, eine unzumutbare Belastung der Wohnungseigentümer dar und ist damit unbillig. Auch durch eine Gemeinschaftsordnung kann zwar das Halten von Haustieren nicht gänzlich ausgeschlossen, jedoch auf das bei einem gedeihlichen Zusammenleben zumutbare Maß beschränkt werden; eine solche Beschränkung stellt keinen Eingriff in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums dar, da die Möglichkeit der Hundehaltung nicht zum wesentlichen Inhalt der Nutzung von Wohnungseigentum gehört (BGH, NJW 95, 2036 = ZMR 95, 416; KG Berlin, OLGR 1998, 272; h.R.M.). Auf konkrete Geruchs- oder Geräuschbelästigungen einzelner Eigentümer kommt es insoweit nicht an. Es genügt bereits die Besorgnis solcher Belästigungen.
2. Ein Miteigentümer muss ebenso wie ein sonstiger Nachbar nicht die mit der Haltung mehrerer Hunde (hier: 4 Schäferhunde, gehalten im Zwinger auf gemeinschaftlicher Hoffläche im Rahmen einer Hobby-Hundezucht) und die damit verbundenen Belästigungen hinnehmen.
3. Das Gericht muss nicht überprüfen, inwieweit durch Auflagen die Belästigungen gering gehalten werden können. Mögliche Nutzungsbeschränkungen stoßen in der Überwachung stets auf große praktische Schwierigkeiten und geben Anlass zu erneuten Streitigkeiten.
4. Durch eine jahrelange, im Gegensatz zu einer getroffenen Nutzungsvereinbarung stehende Übung wird die Gemeinschaftsordnung grundsätzlich nicht stillschweigend außer Kraft gesetzt oder geändert. Zwar können ausnahmsweise Änderungen der Gemeinschaftsordnung auch konkludent durch stillschweigendes Verhalten zustande kommen. Zu den besonderen Anforderungen, die an eine solche konkludente Willenserklärung zu stellen sind, insbesondere im Hinblick auf das Bewusstsein, eine dauerhafte Regelung schaffen zu wollen, gehört es aber in der Regel, dass vor der (stillschweigenden) Willenskundgabe die Eigentümergemeinschaft in Kenntnis der Gemeinschaftsordnung über den Gegenstand beraten hat (wie vorliegend nicht). Selbst eine jahrelange Duldung einer gemeinschaftswidrigen Nutzung kann grundsätzlich nicht als dahingehende Vereinbarung ausgelegt werden.
5. Eine "Aufrechnung" des gegenseitigen Verhaltens beteiligter Wohnungseigentümer findet i.Ü. nicht statt. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass nur derjenige Rechte geltend machen könne, der sich selbst rechtstreu verhalten habe (h.M.).
Link zur Entscheidung
( OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.08.1999, 3 W 164/99= ZMR 12/1999, 853)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer