1 Leitsatz
Sind abgelesene Verbrauchswerte in einem so hohen Maß auffällig und gleichzeitig so wenig belastbar, dass die Situation insgesamt dem Ausfall eines Messgeräts und damit dem Regelfall des § 9a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV gleichkommt, bedarf es keiner weiteren Aufklärung der Ursachen für die auffälligen Messwerte. Vielmehr ist es für § 9a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV hinreichend, dass die gemessenen Werte auf einer nicht hinreichend belastbaren Datengrundlage beruhen und eklatant unplausibel sind.
2 Normenkette
HeizkostenV § 7 Abs. 1 Satz 3, § 9a Abs. 1
3 Sachverhalt
Wohnungseigentümer K geht gegen den Beschluss vor, mit dem die Abrechnung 2015 genehmigt worden ist, begrenzt auf die Kostenposition "Brennstoff Öl". In der Wohnungseigentumsanlage gibt es 8 Wohnungseigentumsrechte. Eingebaut ist eine Einrohr-Heizanlage (die Rohre liegen größtenteils nicht frei). Die Heizkosten werden zu 30 % nach Nutzfläche und zu 70 % nach Verbrauch umgelegt. In der Abrechnung sind 7.373,72 EUR für die Heizkosten (Position "Brennstoff Öl") angesetzt. Wohnungseigentümer K hat hiervon 2.387,88 EUR zu tragen (= 32,4 %). Innerhalb der Wohnung des K entfallen ca. 99 % der abgelesenen Werte auf den Heizkörper im Wohnzimmer. Im Prozess stellt ein Sachverständiger fest, dass die Heizanlage insgesamt einen Verbrauchswärmeanteil von nur 4,8 % aufweise. Für die auffälligen Werte der Einzelwärmezähler könne er allerdings keine Ursache feststellen.
4 Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! Die Genehmigung der Abrechnung widerspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Verbrauchswerte, die der Abrechnung in der Position "Heizkosten Öl" zugrunde lägen, seien in einem solch eklatanten Ausmaß unplausibel und beruhten aufgrund des extrem niedrigen Verbrauchswärmeanteils von 4,8 % auf einer so unzureichenden Datengrundlage, dass eine Abrechnung nach den abgelesenen Verbrauchswerten dem Grundsatz der verbrauchsbezogenen Abrechnung, dem die Heizkostenverordnung zugrunde liegt, widerspreche. In dieser Ausnahmekonstellation sei eine Abrechnung nach § 9a Abs. 1 HeizkostenV geboten. Werde gleichwohl nach den abgelesenen Verbrauchswerten abgerechnet, verletze dies das Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB.
Hinweis
Kann der anteilige Wärme- oder Warmwasserverbrauch von Nutzern für einen Abrechnungszeitraum wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden, ist er vom Gebäudeeigentümer auf der Grundlage des Verbrauchs der betroffenen Räume in vergleichbaren Zeiträumen oder des Verbrauchs vergleichbarer anderer Räume im jeweiligen Abrechnungszeitraum oder des Durchschnittsverbrauchs des Gebäudes oder der Nutzergruppe zu ermitteln. Im Fall sind keine Geräte ausgefallen. Fraglich ist daher, ob der anteilige Wärme- oder Warmwasserverbrauch "aus anderen zwingenden Gründen" nicht ordnungsgemäß erfasst werden konnte. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn nur ein sehr geringer Anteil der abgegebenen Wärme von den Verbrauchserfassungsgeräten erfasst wird. Das LG nimmt dies an, weil der Verbrauchswärmeanteil nur 4,8 % beträgt. Bei Rohrwärme sind insoweit 2 Wärmeströme zu unterscheiden: Einmal der von den Rohren ausgehende, zum anderen der von den Heizkörpern ausgehende (Lammel, ZMR 2019, S. 723). Nur Letzterer wird von den Erfassungsgeräten erfasst und kann von den Nutzern beeinflusst werden (Lammel, a. a. O.). Die Höhe der Rohrwärme wiederum hängt von der Höhe der Vorlauftemperatur ab. Je höher diese ist, desto höher die Rohrwärme und desto weniger braucht auf die Wärmeversorgung durch die Heizkörper zurückgegriffen werden (Lammel, a. a. O.). Das kann dazu führen, dass die erfasste Wärme, als Prozentzahl zur eingespeisten Energie, sehr gering ist (Lammel, a. a. O.). Es ist meines Erachtens in einem solchen Fall vertretbar, § 9a HeizkostenV anzuwenden (Pfeifer, WuM 2019, S. 151; a. A. Lammel, a. a. O.).
5 Link zur Entscheidung
LG Karlsruhe, Urteil v. 25.9.2018, 11 S 8/18