Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzung für ein gem. § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO dem Wesen nach geheim zu haltendes Betriebsgeheimnis und Geschäftsgeheimnis einer in Insolvenz gefallenen Bank. Bank. Darlegung. Daten. Dritter. Ermessen. FACHSENAT. Geheimhaltungsgrund. Geschäftsgeheimnis. Gesetz. Insolvenz. Insolvenzverwalter. Unterlage. Vorlage. Wesen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO dem Wesen nach geheim zu haltendes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis einer in Insolvenz gefallenen Bank ergibt sich nicht bereits daraus, dass die Kenntnis von Unterlagen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Insolvenzmasse führen könnte.

 

Normenkette

KWG § 9; VwGO § 99

 

Verfahrensgang

BVerwG (Entscheidung vom 22.07.2010; Aktenzeichen 20 F 11.10)

Hessischer VGH (Beschluss vom 30.04.2010; Aktenzeichen 6 A 1341/09)

BVerwG (Entscheidung vom 12.01.2006; Aktenzeichen 20 F 12.04)

BVerwG (Entscheidung vom 24.11.2003; Aktenzeichen 20 F 13.03)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 27.08.2012; Aktenzeichen 20 F 3.12)

 

Tenor

Die Verweigerung der Nennung der Namen der Kreditnehmer in den Anlagen des Schreibens vom 4. Oktober 2005 durch die Sperrerklärung des Beigeladenen zu 2. vom 28. Juli 2010 (siehe zu d) der Sperrerklärung) ist rechtmäßig.

Insoweit wird der Antrag der Kläger abgelehnt.

Im Übrigen ist die Verweigerung der Vorlage der mit Beschluss des 6. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. April 2010 – 6 A 1341/09 – angeforderten Unterlagen der Beklagten durch den Beigeladenen zu 2. mit Sperrerklärung vom 28. Juli 2010 rechtswidrig.

 

Gründe

Der statthafte Antrag der Kläger,

die Sperrerklärung des Bundesministeriums der Finanzen vom 29. Juli 2010 für rechtswidrig zu erklären,

über den gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 in Verbindung mit § 189 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – der zuständige Fachsenat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig.

Beruft sich die Behörde auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit oder Vertraulichkeit von Akten oder Auskünften, ist Voraussetzung für einen zulässigen Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO an den Fachsenat, dass das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit der begehrten Unterlagen festgestellt hat. Grundsätzlich bedarf es dafür gemäß § 98 VwGO in Verbindung mit § 358 ZPO eines Beweisbeschlusses des Gerichts der Hauptsache oder einer vergleichbaren förmlichen Äußerung des Hauptsachegerichts (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. November 2003 – 20 F 13.03 –, BVerwGE 119, 229, 232 [BVerwG 24.11.2003 – 20 F 13.03], und vom 12. Januar 2006 – 20 F 12.04 –, BVerwGE 125, 40, 42 [BVerwG 12.01.2006 – BVerwG 20 F 12.04]).

Der 6. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat im Berufungsverfahren mit Beschluss vom 30. April 2010 – 6 A 1341/09 – die Beklagte aufgefordert, die im Tenor des Beschlusses genannten Unterlagen ihm vorzulegen. Aus dem Beweisbeschluss ergibt sich, dass der 6. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs als Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit dieser Unterlagen in Bezug auf die Beurteilung des Vorliegens rechtlicher Hindernisse gegenüber dem von den Klägern geltend gemachten Anspruch nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes – InformationsfreiheitsgesetzIFG – bejaht.

Der Antrag der Kläger ist auch begründet.

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zur Erteilung von Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Damit setzt diese Vorschrift zum einen das Vorliegen (zumindest) eines der Tatbestandsmerkmale, die eine Verweigerung der Vorlage zulassen, und zum anderen bei Vorliegen des Tatbestands eine Ermessensentscheidung voraus.

Hier fehlt es bereits in der zu überprüfenden Sperrerklärung weitgehend an der erforderlichen substantiierten Darlegung eines der Tatbestandsmerkmale, die die Verweigerung der Vorlage der vom Gericht der Hauptsache begehrten Unterlagen zulassen.

Das Bundesministerium der Finanzen beruft sich darauf, dass die Unterlagen, deren Vorlage verweigert wird – mit Ausnahme der in der Sperrerklärung ausgenommenen Schreiben, die der Sperrerklärung zufolge nicht in den Akten vorhanden sind – nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim zuhalten seien, da sie Geschäftsgeheimnisse der von dem Beigeladenen zu 1. als Insolvenzverwalter vertretenen Bank oder personenbezogene Informationen über Dritte umfassten.

Die Weigerung, die angeforderten Unterlagen vorzulegen, kann der Beigeladene zu 2. nicht auf § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO in Verbindung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge