Entscheidungsstichwort (Thema)

Familiäre Lebensgemeinschaft mit verschiedenen Nationalitäten. Herkunftsstaat. Lebensgemeinschaft. Ausländerrechts

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn kein Teil einer familiären Lebensgemeinschaft mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, ist grundsätzlich darauf zu verweisen, die Lebensgemeinschaft in einem der Herkunftsstaaten zu führen. Ausnahmsweise kann etwas Anderes dann gelten, wenn dies von vornherein ausgeschlossen oder ganz unverhältnismäßig erscheint.

 

Normenkette

AuslG § 45 Abs. 2, § 7 Abs. 2; EMRK Art. 8; GG Art. 6

 

Verfahrensgang

VG Gießen (Beschluss vom 11.03.2003; Aktenzeichen 7 G 2317/02)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. März 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,– EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146 Abs. 1 und 4, 147 VwGO), aber nicht begründet.

Aufgrund der gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss vorgebrachten Einwände lässt sich nicht feststellen, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 18. April 2002 im Ergebnis zu Unrecht abgelehnt hat, wobei eine über das Beschwerdevorbringen hinausgehende Überprüfung dem beschließenden Senat grundsätzlich verwehrt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO; zur Beschränkung der Prüfung im Beschwerdeverfahren vgl. Hess. VGH, 05.07.2002 – 12 TG 959/02 –, EZAR 037 Nr. 7). Die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis und der Abschiebungsandrohung sind nämlich offensichtlich rechtmäßig, und im Hinblick darauf rechtfertigen es öffentliche Belange unter Berücksichtigung der hier gegebenen persönlichen Verhältnisse, welche die persönlichen Interessen der Antragstellerin überwiegen und über das den angegriffenen Verwaltungsakt selbst rechtfertigende Interesse hinausgehen, den Rechtsschutzanspruch der Antragstellerin einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (BVerfG, 21.03.1985 – 2 BvR 1642/83 –, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1; BVerfG, 18.07.1973 – 1 BvR 23,155/73 –, BVerfGE 35, 382; BVerfG – Kammer –, 12.09.1995 – 2 BvR 1179/95 –; Hess. VGH, 09.11.1995 – 12 TG 2783/95 –; Hess. VGH, 22.09.1988 – 12 TH 836/88 –, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1989, 14).

Bei der Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung kann zunächst offen bleiben, ob mit dem Beschwerdevorbringen die Richtigkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis für ein Vorgehen gegen die Abschiebungsandrohung der Antragsgegnerin deshalb fehlt, weil eine später ergangene Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge existiere, in Zweifel gezogen worden ist. Denn das Verwaltungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht den Rechtsschutzantrag für unbegründet gehalten und hat sich hierbei ebenfalls zu Recht nicht mit den geltend gemachten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen wegen der Religionszugehörigkeit der Antragstellerin in der Sache befasst.

Zunächst kann die Antragstellerin keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung aus Art. 37 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation herleiten. Aus dieser Regelung lässt sich auch dann kein Aufenthaltsrecht ableiten, wenn der türkische Arbeitnehmer eine unbefristete Arbeitserlaubnis besitzt (so bereits Hess. VGH, 21.01.2000 – 12 TZ 3110/99, 10.01.2000 – 12 TZ 2280/99; OVG Nordrhein-Westfalen, 27.08.1999 – 18 B 1448/99 –, EZAR 029 Nr. 11 = InfAuslR 1999, 485; 20.07.2001 – 17 B 1116/00 –, InfAuslR 2001, 502; a.A. Gutmann, NVwZ 2000, 281). Auch die Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko vom 26. April 1986 (EuGH, 02.03.1999 – C 416/96 –, EZAR 811 Nr. 40 = InfAuslR 1999, 218) führt zu keinem anderen Ergebnis (Hess. VGH, a.a.O.). Art. 37 des Zusatzprotokolls verleiht nämlich keine subjektiven Aufenthaltsrechte, sondern verpflichtet lediglich die Mitgliedstaaten zum Erlass einer Regelung, die in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgeld keine auf die Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber Arbeitnehmern enthält, die Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten sind. Dieses Diskriminierungsverbot des Art. 37 Zusatzprotokoll ist durch Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 umgesetzt worden (Hess. VGH, a.a.O.). Die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 setzt also die Zugehörigkeit des türkischen Arbeitnehmers zu dem regulären Arbeitsmarkt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB voraus, und gegen die Feststellung des Verwalt...

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