Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung von Spielapparatesteuer nach dem „Stückzahlmaßstab”. Praktikabilität. Schwankungsbreite. Spielapparatesteuer. Steuergerechtigkeit. Stückzahlmaßstab. Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Wirklichkeitsmaßstab. Gültigkeit von Satzungsrecht über die Erhebung einer Steuer auf Spielapparate

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da der seit 01.01.1997 jedenfalls bei Gewinnspielgeräten gesicherte Einbau elektronischer Zählwerke die exakte Erfassung des von den Spielern aufgewendeten Entgelts ermöglicht, kann für die Bemessung der Spielapparatesteuer auf den pauschalisierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab der Stückzahl nur noch unter der Voraussetzung zurückgegriffen werden, dass der durchschnittlich investierte Spieleraufwand eine Schwankungsbreite von 30 % im Verhältnis der Geräteaufsteller im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde

2. Die Darlegungs- und Beweislast für das Verbleiben der Schwankungsbreite in diesem Rahmen bei Weiterverwendung des Stückzahlmaßstabs trägt die steuererhebende Gemeinde.

 

Normenkette

GG Art. 3

 

Nachgehend

BVerwG (Urteil vom 14.12.2005; Aktenzeichen 10 CN 1.05)

 

Tenor

Die Spielapparatesteuersatzung der Stadt Kassel vom 21. November 1995 in der Fassung der Spielapparatesteuer-Änderungssatzung vom 15. Dezember 1997 ist ungültig, soweit die Satzung das Benutzen öffentlich zugänglicher Spiel- und Geschicklichkeitsapparate besteuert.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 138.048,80 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Satzung der Antragsgegnerin „über die Erhebung einer Steuer auf Spielapparate, auf das Spielen um Geld oder Sachwerte und auf Vergnügen besonderer Art im Gebiet der Stadt Kassel vom 21. November 1995 in der Fassung der Ersten Änderung vom 15. Dezember 1997.

In ihrer ursprünglichen Fassung lautet die Satzung wie folgt:

S a t z u n g

über die Erhebung einer Steuer auf Spielapparate, auf das Spielen um Geld oder Sachwerte und auf Vergnügen besonderer Art im Gebiet der

Stadt Kassel

vom 13.11.1995

Aufgrund der §§ 5, 50, 51 Ziff. 6, 93 Abs. 1 der Hessischen Gemeindeordnung in der Fassung vom 01.04.1993 (GVBl. 1992 I S. 534), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.09.1995 (GVBl. I S. 462), der §§ 1, 2, 3, 4 und 7 des Gesetzes über Kommunale Abgaben vom 17.03.1970 (GVBl. I S. 225), zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.12.1994 (GVBl. I S. 677), hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel in ihrer Sitzung am 13.11.1995 folgende Satzung über die Erhebung einer Steuer auf Spielapparate, auf das Spielen um Geld oder Sachwerte und auf Vergnügen besonderer Art im Gebiet der Stadt Kassel beschlossen:

§ 1

Steuererhebung

Die Stadt Kassel erhebt eine Steuer auf Spielapparate, auf das Spielen um Geld oder Sachwerte und auf Vergnügen besonderer Art als örtliche Aufwandsteuer nach Maßgabe der in § 2 im einzelnen aufgeführten Besteuerungstatbestände.

§ 2

Steuergegenstand, Besteuerungsgrundlage

Gegenstand der Steuer ist der Aufwand für

  1. das Benutzen von Spiel- oder Geschicklichkeitsapparaten, soweit sie öffentlich zugänglich sind,
  2. das Spielen um Geld oder Sachwerte in Spielclubs, Spielcasinos und ähnlichen Einrichtungen,
  3. den Besuch von Porno- und Sexdarbietungen jeglicher Art einschließlich des Vorführens von Filmen und anderen Bilddarbietungen in Bars, Kinos, Filmkabinen, Sexläden sowie in ähnlichen Betrieben oder vergleichbaren Einrichtungen.

§ 3

Bemessungsgrundlagen

a) zu § 2 a):

die Zahl der Apparate;

b) zu § 2 b):

die Gesamtfläche der dem Spielbetrieb dienenden Räume;

c) zu § 2 c):

das Entgelt, das für die Teilnahme an den Veranstaltungen erhoben wird; wird kein Entgelt erhoben, die Gesamtfläche der für den Besucher des Unternehmens benutzbaren Räume, auch wenn diese Räume nicht unmittelbar den genannten Darbietungen dienen. Kleiderablagen, Toiletten und vergleichbare Nebenräume sind hiervon ausgenommen.

§ 4

Steuersätze

Die Steuer beträgt:

a) zu § 2 a):

aa) für den Zeitraum 01.01.1992 bis 31.12.1993

1.

für Apparate mit Gewinnmöglichkeit

in Spielhallen

250,00 DM

an anderen Aufstellorten

125,00 DM

je Kalendermonat und Gerät

2.

für Apparate ohne Gewinnmöglichkeit

mit Ausnahme der Apparate nach Ziffer 3

in Spielhallen

50,00 DM

an anderen Aufstellorten

je Kalendermonat und Gerät

25,00 DM

3.

für Apparate, mit denen sexuelle Handlungen

oder Gewalttätigkeiten dargestellt werden

oder die eine Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges zum Gegenstand haben,

je angefangenen Kalendermonat und Gerät

500,00 DM

bb) ab dem 01.01.1994

1.

für Apparate mit Gewinnmöglichkeit

in Spielhallen

350,00 DM

an anderen Aufstellorte

150,00 DM

je Kalendermonat und Gerät

2.

für Apparat...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge