Entscheidungsstichwort (Thema)
zeitlich befristete Maßnahmen. Branddirektion. Entlastung. Einsatzdienst. Mehrdienstleistung. Ausgleichszeit. Rufbereitschaft. Feststellungsinteresse. Rechtsschutzbedürfnis. Wiederholungsgefahr. Generalklausel. soziale Angelegenheiten. tägliche Arbeitszeit. Dienstbereitschaften. alle sonstigen die Dienstdauer beeinflussenden allgemeinen Regelungen. Auffangtatbestand. zeitlich befristeter Maßnahmen einer Branddirektion zur Entlastung des Einsatzdienstes von Mehrdienstleistung und nicht gewährter Ausgleichszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt keiner der in § 74 Abs. 1 Nrn. 1 bis 17 HPVG geregelten Mitbestimmungstatbestände vor, so kann gleichwohl der allgemeine Mitbestimmungstatbestand des § 74 Abs. 1 HPVG „in sozialen Angelegenheiten” erfüllt sein. Im Beispielkatalog des § 74 Abs. 1 HPVG nicht ausdrücklich genannte Maßnahmen unterliegen der Mitbestimmung jedoch nur, wenn sie in ihren Auswirkungen auf die Dienststelle und die Beschäftigten den im Beispielkatalog geregelten Maßnahmen in etwa gleichkommen.
2. Die zeitlich befristete, aber als „Probelauf” gedachte Anordnung einer Branddirektion, für Nachtschichten sowie an Samstagen und Sonntagen während bestimmter Uhrzeiten Sonderfahrzeuge aus dem Löschzug „in Springerfunktion” zu besetzen, das heißt, die bisherige Personalstärke zu verringern, mit dem Ziel, aufgelaufene Mehrdienstleistungen und nicht gewährte Ausgleichszeiten zu amortisieren, unterliegt nach der allgemeinen Regelung des § 74 Abs. 1 HPVG „in sozialen Angelegenheiten” der Mitbestimmung.
Normenkette
BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 1, § 104 S. 3; HPVG § 74 Abs. 1, 1 Nr. 9
Verfahrensgang
VG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 10.09.2001; Aktenzeichen 23 L 3409/01(V)) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. September 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass dem Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht nach § 74 Abs. 1 HPVG hinsichtlich einer zeitlich befristeten Verringerung der personellen Besetzung von Sonderfahrzeugen aus dem Löschzug in Bezug auf Nachtschichten sowie die Dienste an Samstagen und Sonntagen zusteht.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verfügung der Branddirektion vom 25. Juni 2001 betreffend „Zeitlich befristete Maßnahmen zur Entlastung des Einsatzdienstes von Mehrdienstleistung und nicht gewährter Ausgleichszeit” der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 74 Abs. 1 Nr. 9 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes – HPVG – unterliegt.
Nach Unterrichtung des Antragstellers, aber ohne vorher ein Mitbestimmungsverfahren durchzuführen, erließ die Branddirektion unter dem 25. Juni 2001 für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. September 2001 die genannte Verfügung, mit der angeordnet wurde, bestimmte Sonderfahrzeuge aus dem Löschzug, deren Standorte die Feuer- und Rettungswachen 1, 2, 3, 5 und 7 sind, „in Springerfunktion” zu besetzen, das heißt, die bisherige Personalstärke zu verringern. Die Maßnahme galt ausschließlich für Nachtschichten von 17.00 Uhr bis 7.00 Uhr sowie an Samstagen und Sonntagen von 7.00 Uhr bis 7.00 Uhr. Am Beginn der Tages- und Nachtschichten sowie ihrer zeitlichen Dauer und Verteilung auf die Wochentage änderte sich nichts. Zur Begründung wurde in der Verfügung angegeben, auf den Feuer- und Rettungswachen werde mittlerweile die angespannte Personalsituation durch einen stetigen Anstieg von Mehrdienstleistung und Verzicht auf Ausgleichsschichten – in der Gesamtsumme zum damaligen Zeitpunkt ca. 40.000 Stunden – sehr deutlich spürbar. Die Ursachen hierfür seien vielschichtig und nur durch ein umfassendes Maßnahmenpaket mittel- und langfristig zu reduzieren. Um jedoch bereits kurzfristig eine Entlastung für das Einsatzdienstpersonal zu realisieren, werde die genannte Verfügung getroffen. Durch diese Maßnahme werde knapp die Hälfte der Mehrdienstleistung (rund 20.000 Stunden) und nicht gewährten Ausgleichszeit amortisiert.
Mit am 26. Juni 2001 bei der Beteiligten eingegangenem Schreiben vom 22. Juni 2001 machte der Antragsteller Beteiligungsrechte nach HPVG geltend, was die Beteiligte mit Schreiben vom 10. Juli 2001 ablehnte.
Am 26. Juli 2001 hat der Antragsteller das Beschlussverfahren eingeleitet und vorgetragen, ihm stehe in Bezug auf die Verfügung vom 25. Juni 2001 das Mitbestimmungsrecht nach § 74 Abs. 1 Nr. 9 HPVG zu, denn die Verfügung falle unter alle sonstigen die Dienstdauer beeinflussenden allgemeinen Regelungen im Sinne dieser Vorschrift. Die auch nur für einen befristeten Zeitraum erfolgte Veränderung der Regelbesetzung unterliege dem Mitbestimmungsrecht. Es sei erklärtermaßen Sinn der Maßnahme, die Mehrdienstleistungen zu reduzieren. Es ergäben sich zumindest mittelbar erhebliche Konsequenzen für Ausgleichszeiträume und die Dienstzeiten der Mitarbeiter, wobei sogar noch auf angeblich freiwilliger Basis eine Rufbereitschaft, also ei...