Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurbeitrag
Leitsatz (amtlich)
1. Der Kurbeitrag (§ 13 Abs. 1 KAG) gilt Sondervorteile ab, die aus der Zurverfügungstellung von Erholungs- und Kureinrichtungen folgen. Seine Erhebung verletzt die Grundrechte der Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 1 GG und der freien Aufenthaltswahl nach Art. 6 HV nicht.
2. Die Begrenzung der Kurbeitragspflichtigen auf ortsfremde Personen verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 1 HV.
3. § 13 Abs. 2 KAG bestimmt den Kreis der Kurbeitragspflichtigen grundsätzlich abschließend. Gemeindliche Satzungen können den Kreis der Beitragspflichtigen weder erweitern noch beschränken.
4. Bei (Mit-)Eigentümern oder Besitzern von Zweitwohnungen besteht die Vermutung, daß sie die von § 13 Abs. 2 KAG vorausgesetzte Möglichkeit haben, die Kur- oder Erholungseinrichtungen der Gemeinde in Anspruch zu nehmen oder an ihren Veranstaltungen teilzunehmen.
Dadurch wird der Kurbeitrag weder zu einer objektbezogenen Abgabe noch zu einer – verdeckten – Zweitwohnungssteuer.
5. Die Höhe des Kurbeitrages darf bei Zweitwohnungsinhabern pauschaliert werden, ohne daß es im Regelfall auf die tatsächliche Aufenthaltsdauer ankommt.
6. Ist der Beitragspflichtige nur Miteigentümer einer Zweitwohnung, rechtfertigt dies regelmäßig keine Herabsetzung des Beitrages.
7. Die Befreiung bestimmter Personen von der Kurbeitragspflicht ist als Ausgestaltung der Billigkeitsvorschriften der AO bei Vorliegen sachlicher Gründe zulässig.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1; HV Art. 1, 6; KAG § 13 Abs. 1-2
Verfahrensgang
VG Kassel (Aktenzeichen VI/2 H 659/85) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Kassel vom 10. Juni 1985 – VI/2 H 659/85 – wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 11,20 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Kurbeitrag für 1985, den die Antragsgegnerin unter Bezug auf ihre Kurbeitragssatzung (KBS) vom 27. März 1984 verlangt. Nach § 4 Abs. 1 Buchst. a KBS beträgt der Beitrag für das Kurgebiet Willingen pro Person 1,20 DM je Tag einschließlich Mehrwertsteuer. Er wird nach § 3 Abs. 1 KBS von allen ortsfremden Personen erhoben, denen die Möglichkeit geboten wird, die Einrichtungen des Kur- oder Erholungsortes in Anspruch zu nehmen oder an dessen Veranstaltungen teilzunehmen. Nach § 6 KBS werden Ortsfremde, die, ohne im Erholungsgebiet den Schwerpunkt ihrer gesamten Lebensverhältnisse zu haben, Eigentümer oder Besitzer einer Wohneinheit sind, zu einem einmal im Kalenderjahr zu entrichtenden Kurbeitrag für einen vierwöchigen Aufenthalt (28 Tage) nach Maßgabe der Beitragssätze in § 4 herangezogen, und zwar unabhängig von der Dauer und der Häufigkeit der Aufenthalte während eines Kalenderjahres und der Lage der Wohneinheit im Erhebungsgebiet.
Die Antragstellerin hat ihren Hauptwohnsitz in Herne. In dieser Gegend ist sie auch berufstätig. Sie ist zu einem Drittel Miteigentümerin der Eigentumswohnung Nr. 1.2 im Haus 1, Tannenweg 10, Gemarkung Willingen.
Mit Bescheid vom 5. März 1985 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Beifügung der Kurkarte 1985 auf, den Kurbeitrag für 28 Tage in Höhe von 33,60 DM binnen eines Monats auf eines der im Bescheid genannten Bankkonten zu zahlen. Über den am 11. März 1985 erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Am 17. April 1985 suchte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Kassel um einstweiligen Rechtsschutz nach und begehrte die Aussetzung der Vollziehung. Sie machte geltend, Eigentümer oder Besitzer der Wohneinheit sei nur die Gesellschaft im Sinne des § 705 BGB, bestehend aus ihr und zwei weiteren Personen. Die Bruchteilsgemeinschaft, wie sie beim Erwerb der Wohnung bestanden habe, sei in eine BGB-Gesellschaft umgewandelt worden; denn Sinn und Zweck des Erwerbs sei es gewesen, die Wohnung bei sich bietender Gelegenheit an Dritte entgeltlich zur vorübergehenden Beherbergung zur Verfügung zu stellen. Hinter diesen Hauptzweck der Gesellschaft trete die Möglichkeit eines persönlichen längeren Aufenthalts in Willingen zurück. So halte sie sich jährlich höchstens 10 bis 14 Tage dort auf, unter Verwendung ihres Resturlaubs als Zweiturlaub. Ferner gehe es nicht an, daß die Antragsgegnerin jeden der drei Miteigentümer auf den vollen Kurbeitrag heranziehe, während ein Alleineigentümer lediglich einmal veranlagt werden. Folglich könne sie allenfalls auf ein Drittel des Kurbeitrags herangezogen werden. Im übrigen handele es sich bei der Regelung in § 6 KBS um eine verdeckte Zweitwohnungssteuer, die verfassungsrechtlich unzulässig sei.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen und führte aus, nicht § 6 KBS, sondern § 5 Abs. 1 KBS löse die Kurbeitragspflicht aus. Im Hinblick auf die wegen der geringen Höhe gebotene Verwaltungsvereinfachung und Beweiserleichterung messe die Satzung dem Eigentum ode...