Entscheidungsstichwort (Thema)
Dorfgebiet. Zweckbestimmung. Normenkontrolle. ökologischer Landbau
Leitsatz (amtlich)
Ein Bebauungsplan, der ein Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) festsetzt, wahrt nicht dessen allgemeine Zweckbestimmung, wenn nach dem in seiner Begründung zum Ausdruck gebrachten Willen der planenden Gemeinde eine „bäuerliche Nutzung” nicht zulässig sein soll.
Normenkette
BauGB § 1 Abs. 3, 5-6, § 9 Abs. 1; BauNVO § 1 Abs. 3 S. 2, § 5 Abs. 1, 2 Nrn. 1-2
Tatbestand
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Nr. 37 Gemarkung Treisbach „Am Steinweg” bzw. „Die Strauchäcker” der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks … in Wetter-Treisbach, auf dem sich der von ihm dort seit 1972 betriebene landwirtschaftliche Vollerwerbsbetrieb befindet. Er hielt 1998 etwa 100 Schweine und 12 bis 13 Rinder im Festmistverfahren und beabsichtigt, seinen Betrieb ganz auf Schweinemast mit zunächst 200 und jetzt 300 Mastschweinen umzustellen. Das Hofreitengrundstück ist durch einen schmalen Grundstücksstreifen mit dem nördlich davon gelegenen Flurstück … verbunden, auf dem sich ein Stall- und Scheunengebäude befindet. Nördlich dieses Gebäudes ist die Miststätte und Jauchegrube, daran anschließend folgen Silagesilos. Im Anschluss an das Flurstück … erstreckt sich das Gebiet des von dem Antragsteller angegriffenen Bebauungsplans. Das Bebauungsplanverfahren stellt sich wie folgt dar: Die Antragsgegnerin änderte im sogenannten Parallelverfahren nach § 8 Abs. 2 BauGB ihren Flächennutzungsplan und stellte den Bebauungsplan Nr. 37 auf. Die vom Regierungspräsidium Gießen mit Verfügung vom 16.04.997 genehmigte und im Wetteraner Bürgerblatt, dem amtlichen Bekanntmachungsorgan der Antragsgegnerin, vom 02.05.1997 öffentlich bekannt gemachte Änderung des Flächennutzungsplans stellt die von dem angegriffenen Bebauungsplan erfasste Fläche, soweit sie für das vorliegende Verfahren relevant ist, als gemischte Baufläche (M) und Grünfläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft dar.
Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin beschloss am 14.12.1993 die Aufstellung des Bebauungsplans und machte dies am 11.02.994 öffentlich bekannt. Vorgesehen war die Ausweisung eines Dorfgebiets (MD) für 10 Baugrundstücke von jeweils knapp 750 qm. Nach Beteiligung der Bürger und Träger öffentlicher Belange wurde der Entwurf in der Zeit vom 20.06. bis 22.07.1994 sowie vom 02.01. bis 03.02.1995 offen gelegt. Der Antragsteller erhob in mehreren Schreiben gegen die vorgesehene Planung Einwendungen, mit denen er einmal die Notwendigkeit einer freien Zufahrt zu seinem Anwesen über den Weg Flurstück 127 sowie dessen Verschmutzung durch seine landwirtschaftlichen Fahrzeuge hinwies und zum Anderen geltend machte, das Baugebiet halte nicht den gebotenen Abstand zu Schweinestall, Miste und Silagesilos ein. Auf Grund der dort herrschenden Windrichtung würde das Baugebiet unzumutbaren Geruchs- und Geräuschbelästigungen ausgesetzt.
Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnern behandelte in ihrer Sitzung vom 21.06.1995 die Einwendungen des Antragstellers. Sie vertrat die Auffassung, dass Geruchsbelästigungen durch Dungstätten und übliche Tiergerüche aus Stallungen typische Begleiterscheinungen eines Dorfgebietes seien. Diese Emissionen könnten nicht als nachteilige Wirkungen auf die Umgebung angesehen werden. Ein Schweinemastbetrieb sei in beschränktem Ausmaß bezüglich seiner Geruchsemissionen in einem Dorfgebiet als unvermeidbar und üblich hinzunehmen. Gleichzeitig beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung sowie die Begründung hierzu und machte den Beschluss am 29.12.1995 im Wetteraner Bürgerblatt öffentlich bekannt.
Nach der Begründung des Bebauungsplans Nr. 37 ist die Nachfrage nach preiswerten Wohnungen mit der Möglichkeit einer Grundstücksnutzung im ökologischen Eigenanbau von Obst, Gemüse sowie Kleintierhaltung größer als das Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Im Stadtteil Treisbach stünden dafür weder Neubaugebiete noch bebaubare Baulücken zur Verfügung. Mit dem Bebauungsplan werde den Wohnbedürfnissen sowie der damit verbundenen Eigentumsbildung und Fortentwicklung des Stadtteils Treisbach Rechnung getragen. Ausgehend von dem Planungsziel, Wohnungen mit einer nicht bäuerlichen Grundstücksnutzung durch ökologischen Eigenanbau von Obst, Gemüse sowie Kleintierhaltung zu schaffen, könne die Art der baulichen Nutzung am ehesten dem Dorfgebiet zugeordnet werden. Wesentliche Nachteile für vorhandene landwirtschaftliche Betriebe seien durch die hinzukommende Wohnnutzung nicht gegeben.
Mit Verfügung vom 16.04.1997 teilte das Regierungspräsidium Gießen der Antragsgegnerin mit, dass gemäß § 11 BauGB gegen den Bebauungsplan Nr. 37 keine Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Abs. 2 BauGB rechtfertigten, geltend gemacht würden. Der Inhalt der Verfügung sowie der Hinweis, dass der Bebauungsp...