Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwehranspruch. Nachbarklage. Altglas. Lärm. Container. Sozialadäquanz. Duales System. Wertstoff

 

Leitsatz (amtlich)

Hat eine Gemeinde den Standort einer im Rahmen des Dualen Systems betriebenen Wertstoffsammelanlage verbindlich bestimmt und gestattet sie deren Betrieb auf gemeindeeigenem Grundstück, so ist sie – neben dem Betreiber der Anlage – als (mittelbare) Störerin in Bezug auf die von dieser Anlage ausgehenden Lärmemissionen anzusehen.

Die der Wiederverwertung von Verpackungsabfällen dienenden Wertstoffsammelanlagen sind als sozialadäquate Einrichtungen in allen Siedlungsgebieten grundsätzlich zulässig. Die Bewertung der Zumutbarkeit der von ihnen ausgehenden Immissionen hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab; in diese Bewertung sind auch die Einhaltung der Mindestabstandsempfehlung des Umweltbundesamtes, der Bedarf für die festgelegten Standorte und die Verfügbarkeit eines geeigneten Alternativstandortes einzustellen.

 

Normenkette

BImSchG § 22 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Hausgrundstücks H. Straße 10 in A., Ortsteil L.. Mit seiner Klage wendet er sich gegen Lärmimmissionen, die von zwei auf einer gemeindeeigenen Grünfläche gegenüber seinem Grundstück aufgestellten Altglascontainern ausgehen.

Nachdem der Gemeindevorstand der Beklagten im November 1992 der Systembeschreibung zur Einführung des von der Beigeladenen betriebenen privaten Entsorgungssystems für Verkaufsverpackungen „Der Grüne Punkt Duales System Deutschland” (im folgenden: Duales System) im Wetteraukreis zugestimmt und gegenüber dem Kreisausschuss des Wetteraukreises seine Teilnahme an diesem System erklärt hatte, veranlasste er im Jahr 1993 nach Absprache mit dem Ortsbeirat L. und in Abstimmung mit dem im Auftrag der Beigeladenen tätig werdenden örtlichen Entsorgungsunternehmen die Aufstellung von Altglas- und Weissblechcontainern an insgesamt vier Standorten in dem betreffenden Ortsteil. Dementsprechend wurden auch gegenüber dem klägerischen Grundstück an der Straßenecke H. Straße/N. Weg auf einer gemeindeeigenen Grünfläche zunächst zwei Altglascontainer aufgestellt; später kam noch ein weiterer Wertstoffcontainer zur Sammlung von Weißblechdosen dazu. Der Abstand der streitgegenständlichen Altglascontainer zum Wohnhaus des Klägers beträgt etwa 12,6 Meter. Bei den aufgestellten Containern handelt es sich um solche der Klasse 1 (lärmgedämmte Container); deren Benutzung ist laut Aufschrift auf den Behältern von 7 – 13 Uhr und von 15 – 20 Uhr gestattet und an Sonn- und Feiertagen gänzlich untersagt.

Erstmals trat der Kläger mit Schreiben vom 16. Juli 1993 an die Beklagte heran und bat um Entfernung der Container. Es komme zu erheblichen Lärmbelästigungen, zudem würden von den Altglas anliefernden Bürgern die Einwurfzeiten nicht eingehalten. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18. August 1993 mitgeteilt hatte, dass die Aufstellung der Behälter in Absprache mit dem Ortsbeirat L. erfolgt sei und dass es ihrer Einschätzung nach in dem betreffenden Einzugsgebiet keinen Standort gebe, der hinsichtlich der Verkehrssituation und der Akzeptanz durch die Bürger besser geeignet sei als der ausgewählte, forderte der Kläger über seine Bevollmächtigte die Beklagte unter Androhung einer Beseitigungsklage nochmals zur Entfernung der Behälter auf. Die Beklagte teilte daraufhin mit einem weiteren Schreiben vom 12. Oktober 1993 mit, dass sie bemüht sei, die Beeinträchtigungen des Klägers soweit wie möglich zu reduzieren, indem sie zusätzliche Aufkleber auf den Containern anbringen werde, wonach das Einwerfen an Sonn- und Feiertagen verboten sei; auf diese Einwurfzeiten werde sie im gemeindlichen Nachrichtenblatt verstärkt hinweisen; des Weiteren seien die Bediensteten des Bauhofs angewiesen, die Stellplätze in regelmäßigen Abständen zu reinigen.

Am 26. November 1993 erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Gießen, zu deren Begründung er im wesentlichen geltend machte, er werde erheblich durch den bei Benutzung der Container verursachten Lärm belästigt. Der gewählte Standort befinde sich in einer Straße, in der kein Durchgangsverkehr stattfinde. Die Altglas anliefernden Bürger müßten die sonst wenig befahrene Straße nutzen, um zu den Containern zu gelangen, wodurch ein regelrechter „Mülltourismus” entstehe. Die von der Beklagten inzwischen vorgenommene Ausschilderung der Einwurfzeiten auf den Containern beschränke die Nutzung jedoch nicht an Samstagen, sondern nur an Sonn- und Feiertagen. Da er wochentags um 5.00 Uhr aufstehen müsse, lege er größten Wert darauf, samstags ausschlafen zu können, dies sei ihm aber regelmäßig durch die Containerbenutzung in den frühen Morgenstunden nicht möglich. Darüber hinaus würden die Container regelmäßig auch an Sonn- und Feiertagen sowie an Werktagen noch nach 21.00 Uhr bestückt und die Einhaltung der Einwurfzeiten sei nicht kontrollierbar. Die Aufstellung der Container habe darüber hinaus zur Folge, dass in deren Nähe eine Verschmutzung durch...

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