rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Strittig ist der Kindergeldanspruch des Klägers für die Zeit vor der Geburt des Kindes.
Der Kläger stellte im Februar 1998 den Antrag, ihm Kindergeld für sein zu diesem Zeitpunkt noch ungeborenes Kind zu gewähren. Den Einspruch gegen die ablehnende Entscheidung der Familienkasse vom 06. März 1998 begründete er damit, auch vor der Geburt fielen schon Unterhalts- bzw. kindbedingte Kosten an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Es gebe keinen Grund, Kindergeld erst ab der Geburt zu zahlen, da auch das ungeborene menschliche Leben Rechte habe. Der Schutz des ungeborenen Menschen und der schwangeren Frauen werde insbesondere in dem zum 01.10.1995 aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28.05.1993 (BVerfGE 88, 203 ff.) in Kraft getretenen neuen Abtreibungsrecht deutlich. Artikel 6 Grundgesetz (GG) enthalte einen sich auch auf die schwangere Frau erstreckenden verbindlichen Schutzauftrag. In das Kindergeldrecht habe der Gesetzgeber bisher diese Vorgabe des BVerfG nicht mit einfließen lassen. Vielmehr habe es durch die Gesetzesänderung ab 01.01.1996 sogar insoweit eine Verschlechterung gegeben, als Kindergeld bzw. der steuerliche Kinderfreibetrag nur noch ab dem Monat der Geburt zustehe. Bis einschließlich 1995 sei noch ein Kinderfreibetrag für das gesamte Kalenderjahr im Jahr der Geburt gewährt worden.
Vor der Geburt entstünden auch schon Aufwendungen für das Kind. So seien grundsätzlich alle Aufwendungen, die die schwangere Frau habe, zudem Aufwendungen für das ungeborene Kind. Dies zeige sich in der Tatsache, daß das Bundessozialhilfegesetz einen Mehrbedarf für schwangere Frauen ab der 13. Schwangerschaftswoche vorsehe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheides vom 16.04.1998 und der Einspruchsentscheidung vom 10.04.1998 für das am 15.03.1998 geborene Kind Kindergeld von September 1997 bis Februar 1998 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist unter Hinweis auf ihre Einspruchsentscheidung der Auffassung, Kindergeld sei erst ab dem Monat der Geburt des Kindes zu gewähren.
Dem Gericht lag die den Streitfall betreffende Kindergeldakte vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Familienkasse hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Kindergeld für die Zeit von September 1997 bis Februar 1998 abgelehnt.
Es entspricht der gesetzlichen Regelung des § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1, Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), daß ein Kind (erst) ab dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wird, zu berücksichtigen ist. Eine Auslegung gegen den insoweit eindeutigen und klaren Wortlaut des Gesetzes ist ausgeschlossen.
Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt das Kindergeldrecht damit nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Ein Verfassungsverstoß ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Kläger zitierten Urteil des BVerfG (BVerfGE 88, 203 ff.). Das BVerfG leitet zwar aus Artikel 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG eine Schutz- und damit auch Handlungspflicht des Staates zugunsten des ungeborenen Lebens ab; es billigt dem Staat aber einen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, Art und Umfang des Schutzes im einzelnen zu bestimmen (BVerfG a.a.O., S. 254).
Vor diesem Hintergrund liegt in dem Unterlassen des Gesetzgebers, einen Kindergeldanspruch schon für die Zeit vor der Geburt zu gewähren, kein Verstoß gegen die Pflicht des Staates vor, ungeborenes Leben zu schützen. Der Staat hat neben dem Strafrechtsschutz bereits vielerlei – hier nicht im einzelnen aufzuzählende – gesetzlich vorgesehene Hilfen und Leistungen zugunsten der werdenden Mutter und des vorgeburtlichen Lebens vorgesehen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, daß der Staat dem Verfassungsauftrag ausgerechnet durch vorgeburtliches Kindergeld nachkommen müßte. Auch wenn sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 4 GG der Schutzauftrag zudem auf die schwangere Frau erstreckt (BVerfGE a.a.O., S. 258), folgt daraus nicht, daß jede Belastung der zukünftigen Eltern vom Gesetzgeber auszugleichen ist. Zwar soll durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, daß wirtschaftliche Not und sonstige materielle Gründe nicht zu Lasten des ungeborenen Lebens gehen. Dies gebietet es aber gerade nicht, unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Eltern einen Kindergeldanspruch für die Zeit vor der Geburt als die zwangsläufig einzig richtige Entscheidung des Gesetzgebers anzusehen, den Schutz des ungeborenen Lebens zu gewähren. Es liegt vielmehr näher, der schwangeren Frau im Einzelfall Hilfe und, wie z.B. nach dem vom Kläger auch zitierten Bundessozialhilfegesetz möglich, bei Bedürftigkeit finanzielle Hilfe zukommen zu lassen.
Gründe für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor. Zwar ist gegen den ...