Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufsichtsratswahl. Wahlkosten. Anwaltsgebühren. Eilbeschlussverfahren. Erforderlichkeit. Gewerkschaftsausschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch eines Wahlberechtigten, der ein Eilbeschlussverfahren im Zusammenhang mit einer Aufsichtsratswahl eingeleitet hat, auf Erstattung von Anwaltskosten ist nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MitbestG gegeben, wenn die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten erforderlich war. Insoweit gelten die Auslegungsgrundsätze des § 20 Abs. 3 BetrVG entsprechend. Der Anspruch besteht danach nicht, wenn das Eilbeschlussverfahren, für das die Kostenerstattung verlangt wird, aussichtslos war.

 

Normenkette

MitbestG 1976 § 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 03.12.2003; Aktenzeichen 9 BV 134/03)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 25.05.2005; Aktenzeichen 7 ABR 42/04)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Dezember 2003 – 9 BV 134/03 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit Aufsichtsratswahlen.

Der Beteiligte zu 1) ist Mitglied des im Betrieb der Beteiligte zu 2) gebildeten Betriebsrates. Er war auch Mitglied der Gewerkschaft „Verband Angestellter Akademiker und Leitender Angestellter der Chemischen Industrie e. V.” (im folgenden: VAA). Wegen einer E-Mail-Aktion vom 7. Juni 2002 schloss der VAA den Beteiligten zu 1) am 10. Juli 2002 aus. Hiergegen wandte sich der Beteiligte zu 1) in einem am 14. August 2002 eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren beim Landgericht Köln, das dem Antrag durch Urteil vom 2. Oktober 2002 – 28 O 535/02 – stattgab. Auf den Inhalt der Urteilsgründe (Bl. 8–16 d.A. 11 BVGa 494/02) wird verwiesen.

Im Hinblick auf eine für 16. bis 19. Dezember 2002 anberaumte Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat (vorläufiger Terminplan Bl. 17 ff. d A. des Verfahrens 11 BVGa 494/02) fand die konstituierende Sitzung des Werkgruppenvorstandes des VAA statt, in den der Beteiligte zu 1) am 18. Juni 2002 gewählt worden war. In dieser Sitzung sollte der Vorsitzende des Gremiums gewählt werden. Die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen für die Aufsichtsratswahl lief am 16. Oktober 2002 ab (Bekanntmachung über die Einreichung von Wahl vorschlagen Bl. 62 d.A. 11 BVGa 494/02). Der Unternehmenswahlvorstand prüfte in seiner Sitzung vom 17. Oktober 2002 den Wahlvorschlag der IG BCE-VAA, auf welchem der Beteiligte zu 1) nicht als Kandidat genannt war, und ließ ihn zur Wahl zu (Protokoll der fünften Sitzung, insoweit Bl. 20 d.A. 11 BVGa 494/02).

Mit seinem am 24. Oktober 2002 bei Gericht eingegangenen Antrag hat sich der Beteiligte zu 1) im Verfahren 11 BVGa 494/02 gegen die Durchführung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat gewandt. Er hat sich auf Art. 9 Abs. 3 GG berufen und beanstandet, dass der Wahlvorstand die Liste akzeptiert habe, obwohl der VAA ihm entgegen dem obsiegendem Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht die Möglichkeit zur Kandidatur gegeben habe. Nach seiner Auffassung habe es im Interesse aller Arbeitnehmer gelegen, dass eine demokratisch legitimierte Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat stattfände. Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 04. November 2002, auf dessen Gründe verwiesen wird, zurückgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren hat der Beteiligte zu 1), der im einstweiligen Verfügungsverfahren anwaltlich vertreten war, erstinstanzlich Freistellung von seiner Verpflichtung geltend gemacht, die der Höhe nach unstreitigen Rechtsanwaltskosten (Rechnung vom 19. Dezember 2002, Bl. 5 d.A.) zu tragen. Er hält das Beschlussverfahren für die richtige Verfahrensart, weil es sich beim Ausgangsverfahren um ein Beschlussverfahren gehandelt habe, und weil die Kosten einer Aufsichtsratswahl, die kollektivrechtlicher Natur seien, von der Arbeitgeberin zu tragen seien. Nach seiner Auffassung habe er sich in dem Verfahren 11 BVGa 494/02 anwaltlich vertreten lassen dürfen. Zum Einen seien schwierige verfassungsrechtliche Fragen zu behandeln gewesen, zum Anderen hätten auch – unstreitig – andere Verfahrensbeteiligte sich vertreten lassen.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, ihn von den anwaltichen Gebühren in dem Verfahren 11 BVGa 494/02 in Höhe von EUR 591,60 freizustellen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Nach Auffassung der Beteiligten zu 2) müsse der Beteiligte zu 1) seinen individualrechtlich zu bewertenden Aufwendungsersatz im Urteilsverfahren einklagen. Aufwendungsersatz nach § 670 BGB könne ein Kläger für ein Verfahren erster Instanz nicht verlangen. Die Kosten seien auch deswegen nicht ersetzungsfähig, weil der Beteiligte zu 1) nicht anfechtungsbefugt gemäß § 21 Abs. 2 MitbestG gewesen sei. § 20 Abs. 3 MitbestG verpflichte die Arbeitgeberin allenfalls zur Tragung der erforderlichen Kosten. Erforderlich seien die Rechtsanwaltskos...

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