Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme an einer Betriebsratssitzung bei gleichzeitiger Funktion als Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen
Leitsatz (amtlich)
Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, die zugleich Betriebsratsmitglied ist, ist, wenn sie als Vertrauensperson an der Betriebsratssitzung teilnehmen will, nicht generell als Betriebsratsmitglied verhindert. Ergibt sich ein Interessenkonflikt im Einzelfall, muss die Vertrauensperson diesen gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden anzeigen. Dies kann so geschehen, dass die Geheimhaltungspflicht gegenüber dem schwerbehinderten Menschen über persönliche Verhältnisse, die der vertraulichen Behandlung bedürfen, nicht verletzt wird. Für den Fall der Verhinderung ist ein Ersatzmitglied zu der Betriebsratssitzung zu laden.
Normenkette
BetrVG § 29 Abs. 3, §§ 32, 25 Abs. 1 S. 2; SGB IX § 95 Abs. 4 S. 2, § 96 Abs. 7
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.03.2012; Aktenzeichen 5 BV 619/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 2012 - 5 BV 619/11 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Beschlüsse des Betriebsrats aus der Betriebsratssitzung vom 12. Juli 2011.
Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist Mitglied des beim Beteiligten zu 3) gewählten Betriebsrats, des Beteiligten zu 2). Der Beteiligte zu 1) ist auch Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen.
Bis zum 5. Juli 2011 wurde es bei anstehenden Betriebsratssitzungen so gehandhabt, dass der Beteiligte zu 1) dem Betriebsratsvorsitzenden mitteilte, in welcher Funktion er an den Betriebsratssitzungen teilnehmen werde. In der Zeit vom 30. Nov. 2010 bis zum 5. Juli 2011 wurde dies 34-mal so gehandhabt, z.B. mit E-Mail vom 11. Juli 2011 (Bl. 2 d. A.). Der Betriebsratsvorsitzende hatte den Beteiligten zu 1) am 1. Febr. 2011 (Bl. 58 d. A.) aufgefordert, mitzuteilen, in welcher Funktion er zukünftig an den Betriebsratssitzungen teilnehmen wolle. Dieser hatte mit E-Mail vom 7. Febr. 2011 (Bl. 59 d. A.) geantwortet, dass er zukünftig an den Betriebsratssitzungen primär als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen teilnehmen werde.
In der Betriebsratssitzung vom 5. Juli 2011 teilte der Betriebsratsvorsitzende dem Beteiligten zu 1) mit, die Sitzungsteilnahme werde zukünftig anders gehandhabt. Bei einer Doppelfunktion von Schwerbehindertenvertretung und Betriebsratsmitgliedschaft werde zukünftig nicht mehr von einer Verhinderung des Betriebsratsmitglieds ausgegangen.
Am 12. Juli 2011 fand eine Betriebsratssitzung statt, zu der der Beteiligte zu 1) per E-Mail vom 6. Juli 2011 mit Tagesordnung geladen wurde (Bl. 41 ff. d. A.). Am 11. Juli 2011 teilte der Beteiligte zu 1) dem Betriebsratsvorsitzenden mit, er werde als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen an der Betriebsratssitzung teilnehmen. Anders als in der Vergangenheit lud der Betriebsratsvorsitzende aufgrund dieser Mitteilung kein Ersatzmitglied für den Beteiligten zu 1) ein. Der Beteiligte zu 1) nahm an der Sitzung teil.
Mit Antrag vom 26. Juli 2011, bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main am selben Tag eingegangen, hat der Beteiligte zu 1) die Feststellung beantragt, dass die Beschlüsse des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung vom 12. Juli 2011 unwirksam sind. Er ist der Auffassung gewesen, die in dieser Sitzung gefassten Betriebsratsbeschlüsse seien nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Seine Verhinderung bei der Betriebsratssitzung ergebe sich aus der bislang gelebten Praxis. Der Betriebsrat könne diese nicht nach Belieben ändern. Darüber hinaus sei eine Vielzahl von Situationen denkbar, an denen er nicht gleichzeitig als Schwerbehindertenvertreter und als Mitglied des Betriebsrats teilnehmen könne, weil er unterschiedliche Interessen vertrete.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
festzustellen, dass die Beschlüsse in der Betriebsratssitzung vom 12. Juli 2011 unwirksam sind.
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 2) ist der Auffassung gewesen, der Betriebsrat sei in der Sitzung vom 12. Juli 2011 ordnungsgemäß besetzt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 20. März 2012 - 5 BV 619/11 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es habe hinsichtlich des Beteiligten zu 1) kein Fall der Verhinderung als Betriebsratsmitglied im Sinne des § 25 BetrVG vorgelegen. Ob eine Verhinderung vorliege, sei im Einzelfall zu entscheiden. Zu einer Interessenkollision sei aber hier nichts vorgetragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Gegen den ihm am 16. Mai 2012 zugestellten Beschl...