Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des vorübergehenden Einsatzes im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG
Leitsatz (amtlich)
1. Der in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG aufgenommene Begriff “vorübergehend„ ist dahingehend zu verstehen, dass je nach Fallgestaltung sowohl eine personenbezogene als auch eine aufgabenbezogene Betrachtung zu erfolgen hat.
2. Ein vorübergehender Einsatz liegt auch dann vor, wenn ein Leiharbeitnehmer beim Entleiher - ohne einen Stammarbeitnehmer abgelöst zu haben - im Rahmen einer Daueraufgabe eingesetzt wird und zukünftig infolge eines absehbaren Rückgangs des Arbeitsvolumens möglicherweise ein Minderbedarf an Arbeitskräften zu erwarten ist, der einer dauerhaften Beschäftigung eigener Arbeitnehmer entgegensteht.
Normenkette
AÜG §§ 1, 1 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 17.09.2015; Aktenzeichen 7 BV 3/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 17.09.2015 - 7 BV 3/15 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der Leiharbeitnehmer A und B sowie über die Feststellung, dass die vorläufige Einstellung der Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Die Beteiligten zu 1) und 2) (im Folgenden: Arbeitgeberinnen) sind Unternehmen der chemischen Industrie und unterhalten in C einen Gemeinschaftsbetrieb. Sie beschäftigten derzeit zirka 400 Arbeitnehmer, die von dem Beteiligten zu 3) (im Folgenden: Betriebsrat) repräsentiert werden.
In der Abteilung OW 1 werden sogenannte Kombi-Mitarbeiter eingesetzt, deren Aufgaben im Wesentlichen das Kommissionieren "Pick by light", das Clearing und die Packerei umfassen. Bei 21 der mit Zustimmung des Betriebsrats eingestellten "Kombi - Mitarbeitern" lief die sachgrundlose zweijährige Befristung der Arbeitsverhältnisse aus. Zunächst war geplant, die Mitarbeiter wiederum befristet für die Zeit vom 15.3.2015 bis zum 31.1.2017 nach Maßgabe der Regelungen des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie in Hessen weiter zu beschäftigen (§ 11 II Ziffer 3 MTV). Da der Betriebsrat die tarifvertraglich notwendige Zustimmung nicht erteilte, entschlossen sich die Arbeitgeberinnen in der Zeit vom 20.03.2015 bis 31.01.2017 Leiharbeitnehmer heranzuziehen. Mit Schreiben vom 12.03.2015 unterrichteten sie den Betriebsrat über ihre Absicht und teilten ihm zudem mit, dass es wegen des großen Versandvolumens dringlich sei, die Leiharbeitnehmer vorläufig einzusetzen. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf die Kopie - Blatt 13 der Akten - Bezug genommen. Die beantragte Zustimmung verweigerte der Betriebsrat mit dem bei der Personalabteilung am 17.03.2015 eingegangenen Schreiben. Zur Begründung wies er unter anderem auf einen Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und erhebliche Nachteile für andere Arbeitnehmer sowie die Möglichkeit hin, die Dauerarbeitsplätze durch Einstellung von "Festpersonal" zu besetzen. Die vorläufige Stellenbesetzung lehnte der Betriebsrat wegen der aus seiner Sicht verspäteten Befassung mit der Angelegenheit und der damit von den Arbeitgeberinnen provozierten Dringlichkeit der Maßnahme ab. Wegen des genauen Inhalts der Widerspruchsschreiben wird auf die Kopien - Blatt 15 bis 17 der Akten - verwiesen. Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Antragstellung wird im Übrigen auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses - Blatt 48, 49 der Akten - Bezug genommen.
Durch den am 17.09.2015 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht die Zustimmung zu den befristeten Einstellungen der Leiharbeitnehmer ersetzt und die Dringlichkeit der vorläufigen Durchführung der Maßnahmen festgestellt. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - Folgendes ausgeführt: Die beabsichtigten Einstellungen verstießen nicht gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, da sie auf eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung gerichtet seien. Ein Missbrauch des Instituts der Leiharbeit liege nicht vor. Eine Umgehung der Arbeitsbedingungen der Stammarbeitnehmer nach den Vorgaben von Artikel 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG sei nicht beabsichtigt gewesen, da die Arbeitgeberinnen befristete Einstellungen eigener Arbeitnehmer (Verlängerung von 24 auf 48 Monate) hätten vornehmen wollen und diese mangels Zustimmung des Betriebsrats nicht durchsetzbar gewesen seien. Es sei ihnen also nicht um die möglicherweise günstigeren Bedingungen, sondern um den Erhalt der Flexibilität in Bezug auf die Beendigung der Beschäftigung gegangen. Ein Rechtsmissbrauch in Form aufeinander folgender Überlassungen liege nicht vor und der Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs sei auch im Hinblick auf die Überlassungsdauer von zirka 22 Monaten vor dem Hintergrund der Wertungen des Befristungsgesetzes nicht begründet. Zudem - so das Arbeitsgericht weiter - sei die vorläufige Durchführung der Maßnahmen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewe...