Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeugnis
Leitsatz (amtlich)
Zu den Mindestanforderungen, die ein Schriftstück erfüllen muß, um als Zeugnis qualifiziert zu werden, gehört … das Datum der Ausstellung.
Normenkette
BGB § 650; ZPO § 888
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Beschluss vom 22.07.1997; Aktenzeichen 1 Ca 301/96) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen denBeschluß des Arbeitsgerichts Kassel vom 22. Juli 1997-1 Ca 301/96 – wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf DM 500.– festgesetzt.
Gründe
Die Schuldnerin wendet sich im Wege einer am 29. Juli 1997 eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihr am 24. Juli 1997 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts, durch den sie zur Erzwingung der in einem gerichtlichen Vergleich vom 4. Dezember 1996 enthaltenen Verpflichtung zur Erteilung eines „wohlwollenden, qualifizierten Zeugnisses” zu Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft verurteilt worden ist. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei derzeit zur Erteilung des Zeugnisses nicht in der Lage, weil sich ihre alleinige Geschäftsführerin bis 25. August 1997 in Urlaub befinde. Im übrigen sei dem Gläubiger bereits am 17. Juli 1997 ein Zeugnis erteilt worden.
Der Gläubiger hält den Beschluß für zutreffend und meint, das ihm übersandte Zeugnis erfülle nicht die minimalsten Anforderungen an ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis, weil es kein Datum trage und zudem nachgerade diskriminierend sei.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 793 ZPO an sich statthaft und innerhalb der in §§ 793.577 Abs. 2 ZPO normierten Zweiwochenfrist formgerecht eingelegt worden. In der Sache muß sie freilich erfolglos bleiben.
Der arbeitsgerichtliche Vergleich ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), Bedenken gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung (Klausel, § 724 ZPO, Zustellung, § 750 ZPO) bestehen nicht. Die Einwände der Schuldnerin sind nicht erheblich.
Soweit sich die Schuldnerin auf das dem Gläubiger zwischenzeitlich erteilte „Zeugnis” beruft, ist ihr zwar einzuräumen, daß sich ein Schuldner – jedenfalls, soweit die entsprechenden Tatsachen unstreitig sind – auch im Verfahren nach § 888 ZPO auf Erfüllung berufen kann und nicht auf die Vollstreckungsgegenklage verwiesen ist (vgl. Kammerbeschluß vom 01.08.1995 – 16 Ta 252/95). Der Erfüllungseinwand greift hier jedoch nicht. Denn das mit „Zeugnis” überschriebene Schriftstück ist nicht geeignet, als Erfüllung der geschuldeten Leistung angesehen zu werden.
Zwar geht der Gläubiger insoweit fehl, als er das erteilte „Zeugnis” für nicht „wohlwollend” hält. Denn der Begriff „wohlwollend” ist zu unbestimmt, um auf einen bestimmten Zeugnisinhalt schließen zu lassen und damit für eine Zwangsvollstreckung ungeeignet (vgl. Kammerbeschluß vom 09.05.1994 – 16 Ta 114/94; LAG Frankfurt am Main vom 16.06.1989 – 9 Ta 74/89 NZA 90, 192). Insoweit ist der Gläubiger darauf verwiesen, diese Frage in einem gerichtlichen Berichtigungsverfahren überprüfen zu lassen.
Das dem Gläubiger von seiten der Schuldnerin erteilte Schriftstück genügt jedoch nicht den Merkmalen, die ein Zeugnis zu erfüllen hat. Da die Schuldnerin die Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses übernommen hat, schuldet sie die Erteilung eines Schriftstückes, das entsprechend den üblichen Anforderungen des Geschäftslebens als Zeugnis zu qualifizieren ist. Das erfordert die Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen. Zu diesen zählt jedenfalls das Datum der Ausstellung (vgl. LAG Bremen 22.06.1989 AR-Blattei D Zeugnis Entsch. 29: Kasseler Handbuch/Haupt 1.2 Rz. 257; MünchArbR/Wank § 124 Rz. 14). Denn nach den Gepflogenheiten des Arbeits- und Geschäftslebens wird vorausgesetzt, daß Urkunden von Bedeutung – und dazu gehört das Zeugnis als Dokument zur Bewerbung des Arbeitnehmers um einen neuen Arbeitsplatz – ein Ausstellungsdatum enthalten. Fehlt dieses, wie hier, kann von einem formell ordnungsgemäßen Zeugnis und damit von einer Erfüllung des Zeugnisanspruches nicht gesprochen werden.
Soweit die Schuldnerin schließlich rügt, das im arbeitsgerichtlichen Beschluß genannte Datum (15.08.1997) zur Erteilung des Zeugnisses sei zu kurz bemessen, weil sich ihre Geschäftsführerin im Urlaub befinde, ist auch das unerheblich. Nachdem die Schuldnerin sich vergleichsweise zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet hatte, war der entsprechende Anspruch des Gläubigers sofort fällig und vollstreckbar. Im übrigen kann die Schuldnerin die Vollstreckung der Zwangsmittel – soweit noch nicht geschehen – jederzeit durch Erteilung eines als Zeugnis zu bewertenden Schriftstückes abwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes rechtfertigt sich aus § 3 ZPO. Angemessen und ausreichend war es, mangels bestimmten Zeugnisinhalts einen Betrag von DM 500.– anzusetzen.
Gegen diesen Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG).
Unterschriften
gez. Hattesen
Fundstellen
Haufe-Index 967483 |
ZTR 1998, 231 |
ArbuR 1998, 205 |
MDR 1998, 544 |