Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Gebührenerhebung bei teilweiser Rücknahme der Berufung und anschließendem Vergleich über die verbliebenen Streitpunkte. Auslegung der Vorbemerkung 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG
Leitsatz (amtlich)
Die Vorbemerkung 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG führt auch im Berufungsverfahren zu dem Ergebnis, dass keine Gebühr zu erheben ist, wenn nach teilweiser Rücknahme der Berufung und anschließender Verhandlung ein Vergleich geschlossen wird, welcher den Rechtsstreit im Umfang der verbliebenen Anträge vollständig beendet und im Vergleich eine Kostenregelung geschlossen wurde oder diese sich unmittelbar aus § 98 ZPO ergibt (Anschluss an Hess. LAG 18.07.2016 - 2 Ta 597/14 - juris).
Leitsatz (redaktionell)
Der Anwendungsbereich der unklar formulierten amtlichen Vorbemerkung 8 der Anlage 1 zum GKG ist unter Berücksichtigung des gesetzlichen Gesamtzusammenhangs und des mit der Gebührenprivilegierung verfolgten Zwecks zu ermitteln. Auszugehen ist zum einen von dem Anliegen des Gesetzgebers, die Justiz zu entlasten, weil keine inhaltlich zu begründende Entscheidung des Gerichts erforderlich ist. Zum anderen soll aus sozialpolitischen Gründen die Verständigung der Parteien durch die Gebührenprivilegierung gefördert werden.
Normenkette
GKG Anl. 1 Vorbem. 8; ZPO §§ 98, 269 Abs. 1; GKG § 40
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 24 Ca 10019/20) |
Tenor
Auf die Erinnerung der Beklagten wird die Kostenrechnung vom 28. August 2023 in dem Rechtsstreit 18 Sa 1338/22 – Kassenzeichen xxxx– aufgehoben.
Gründe
I.
Gegenstand dieses Beschlusses ist der Gerichtskostenansatz, welcher der Kostenrechnung an die Beklagte vom 28. August 2023 zu Grunde liegt. Die Beklagte ist der Auffassung, es seien keine Gerichtsgebühren angefallen, da das Berufungsverfahren durch Vergleich beendet wurde.
Der Kläger hat gegen die Beklagte Leistungs- und Feststellungsansprüche auf Schadensersatz geltend gemacht. Diese hatte er zuletzt damit begründet, dass die Beklagte ihm auf seinen Antrag auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt die gegenüber der Rechtsanwaltskammer notwendig abzugebende Freistellungserklärung erst mit mehrjähriger Verzögerung erteilte. Außerdem habe die Beklagte mit ihm eine Änderung des Arbeitsvertrags zum Zwecke seiner Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt vereinbaren müssen. Wegen der zu spät erteilten Freistellungserklärung und der verweigerten Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt habe er in Bezug auf seine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt einen wirtschaftlichen Schaden erlitten, welcher erst teilweise beziffert werden könne.
Gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts legte der Kläger teilweise Berufung ein. Die angekündigten Berufungsanträge richteten sich auf Schadensersatz für das Jahr 2018 in einer Mindesthöhe von 1zzz,zz € und für die Jahre 2019 und 2020 in einer Mindesthöhe von 2zzz,zz €. Außerdem begehrte der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten in der Zukunft, ebenfalls wegen seiner Anträge auf Genehmigung einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt und auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt.
Nach Eintritt der Rechtskraft in zwei Parallelverfahren der Parteien und Hinweisbeschluss der Kammer vom 13. April 2023 zu den sich aus den Entscheidungen ergebenden Auswirkungen auf die angekündigten Berufungsanträge kündigte der Kläger mit Schriftsatz vom 2. Mai 2023 geänderte Anträge an. Er beschränkte seinen Schadensersatzanspruch für das Jahr 2018 auf 3zzz,zz €, verzichtete auf Feststellungsanträge wegen seiner nicht erfolgten Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt und stellte seine Feststellungsanträge zur Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der verspäteten Aufnahme seiner Nebentätigkeit als Rechtsanwalt klar.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht am 10. Mai 2023 stellte der Kläger die geänderten Anträge gemäß seinem Schriftsatz vom 2. Mai 2023 und erklärte im Übrigen die Teilrücknahme der ursprünglich eingelegten Berufung. In der Verhandlung vom 10. Mai 2023 schlossen die Parteien dann einen zunächst widerruflichen Vergleich, der bestandskräftig wurde. In dem gerichtlichen Vergleich, wegen dessen Inhalt auf Bl. 381 f. d.A. verwiesen wird, regelten die Parteien das Berufungsverfahren und einen weiteren erstinstanzlichen Rechtsstreit abschließend. Nach der Kostenregelung des Vergleichs wurden die Kosten des Berufungsverfahrens und des miterledigten Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Am 28. August 2023 errechnete die Kostenbeamtin aus einem Streitwert von 112.700,00 € Gerichtsgebühren i.H.v. 2.017,60 €, wovon der Beklagten die Hälfte, d.h. 1.008,80 €, in Rechnung gestellt wurden (Kassenzeichen: xxxx). Dabei legte die Kostenbeamtin zugrunde, dass die Ziff. 8222 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG einschlägig sei.
Mit Schreiben vom 31. August 2023 legte die Beklagte Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 29. August 2023 (zutreffend: 28. August 2023) ein. Sie machte geltend, der Rechtsstre...