Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Zahl der für den Betriebsrat freizustellenden Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Bei der Feststellung der Zahl der Arbeitnehmer im Rahmen des § 38 BetrVG sind Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.
Normenkette
BetrVG § 38
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Entscheidung vom 11.12.2014; Aktenzeichen 9 BV 8/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 11. Dezember 2014 - 9 BV 8/14 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Anzahl der nach § 38 BetrVG freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Die Beteiligte zu 3 (Arbeitgeber) ist ein tarifgebundenes Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie. Bei ihr ist ein Betriebsrat (Beteiligter zu 1) gebildet.
Im Rahmen der konstituierenden Betriebsratssitzung vom 23. April 2014 wurde neben dem Betriebsratsvorsitzenden der Beteiligte zu 2 als freigestelltes Betriebsratsmitglied gewählt. Wegen der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Stammarbeitnehmer (Arbeitnehmer und Auszubildende) und Leiharbeitnehmer wird auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I der Gründe (Bl. 66-72 der Akten) Bezug genommen. Von den Leiharbeitnehmern wurden höchstens 5 zur Vertretung von ausgefallenen Stammarbeitnehmern eingesetzt. Hieraus folgt, dass bei einer Addition der Zahl der Stammarbeitnehmer mit der der Leiharbeitnehmer die regelmäßige Anzahl der Arbeitnehmer mindestens 501 beträgt.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die Zahl der Leiharbeitnehmer sei bei der Feststellung der Zahl der Arbeitnehmer im Rahmen des § 38 BetrVG nicht zu berücksichtigen.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I der Gründe (Bl. 66-72 der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben. Bei der Ermittlung der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer sei nicht auf einen bestimmten Stichtag abzustellen, sondern auf die Zahl der Arbeitnehmer, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend sei. Befristet eingestellte Vertretungskräfte für zeitweilig ausgefallene Stammarbeitnehmer seien nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Danach sei hier von einem Überschreiten des Schwellenwerts von 501 Arbeitnehmern auszugehen. Dass Leiharbeitnehmer im Rahmen des § 38 Abs. 1 BetrVG bei der Ermittlung der Schwellenwerte zu berücksichtigen seien, ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu § 9 BetrVG vom 13. März 2013 (7 ABR 69/11). Sinn und Zweck der Schwellenwerte sprächen für eine Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei der Beschäftigtenzahl. Die Zunahme von Betriebsratsaufgaben, die mit der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern verbunden sei, sei so erheblich, dass ihr durch eine entsprechende Betriebsratsgröße Rechnung zu tragen sei. Diese Rechtsprechung sei auf § 38 Abs. 1 BetrVG zu übertragen. Auch hier gelte, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei steigender Arbeitnehmerzahl eine effektive Betriebsratsarbeit nur im Falle der vollständigen Freistellung einer Mindestzahl von Betriebsratsmitgliedern von der Arbeit möglich sei.
Dieser Beschluss wurde dem Arbeitgebervertreter am 9. Februar 2015 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 26. Februar 2015 eingegangenen Beschluss Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 7. Mai 2015 am 7. Mai 2015 begründet.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung, der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. März 2013 sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Dieser habe sich ausschließlich auf die Schwellenwerte des § 9 BetrVG bezogen. Bei aufgespaltener Arbeitgeberstellung sei eine differenzierte Beurteilung der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung der Arbeitnehmer erforderlich. Eine solche habe das Arbeitsgericht nicht vorgenommen. Die Auslegung von § 38 Abs. 1 BetrVG durch das Arbeitsgericht (Seite 12, 13 des Urteils) sei falsch. Es verkenne, dass § 14 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Leiharbeitnehmer auch während der Zeit der Überlassung dem Betrieb des Verleihers zuordne. Auf Seite 12 des Urteils berücksichtigte das Arbeitsgericht nicht hinreichend, dass die Anzahl der Freistellungen gem. § 38 BetrVG nicht linearer steige. Ein Mehr an Betriebsratsaufgaben rechtfertige nicht zwangsläufig die Freistellung weiterer Betriebsratsmitglieder. § 9 einerseits und § 38 BetrVG andererseits hätten einen sehr unterschiedlichen Sinn. § 9 BetrVG regele das "ob" einer Gründung eines Betriebsrats und dessen Wahl, während § 38 BetrVG ausschließlich das "wie" der Betriebsratsarbeit betreffe. Im Übrigen komme es nach Wahrnehmung des Arbeitgebers durch den Einsatz der Leiharbeitnehmer nicht zu erheblich gesteigerten Aufgaben des Betriebsrats. Das Arbeitsgericht verkenne darüber hinaus, dass...