Entscheidungsstichwort (Thema)
Recht des Gesamtbetriebsrates auf Durchführung einer Informationsveranstaltung zur Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl in betriebsratslosen Betrieben. Annexkompetenz gem. § 17 Abs 1 BetrVG
Leitsatz (redaktionell)
Der Gesamtbetriebsrat ist berechtigt, vor Bestellung eines Wahlvorstands im betriebsratslosen Betrieb eine Informationsveranstaltung mit den wahlberechtigten Arbeitnehmern durchzuführen.
Normenkette
BetrVG § 17 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 13.08.2009; Aktenzeichen 3 BV 2/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 13. August 2009 – 3 BV 2/09 – teilweise abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 1) berechtigt ist, in Betrieben des Beteiligten zu 2), die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrVG erfüllen und in denen kein Betriebsrat besteht, Informationsveranstaltungen zur Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl gem. § 17 Abs. 1 BetrVG durchzuführen.
- Der Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, es dem Beteiligten zu 1) zu gestatten, insbesondere durch den Aushang von Einladungsschreiben an geeigneter Stelle die Belegschaft des jeweiligen Betriebes zu Informationsveranstaltungen im Sinne des Antrages zu Ziff. 1. einzuladen.
- Der Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Beteiligten zu 1) zur Durchführung der jeweiligen Informationsveranstaltung entsprechend des Antrages zu Ziff. 1. einen Raum im Betrieb des Beteiligten zu 2) vor Ort zur Verfügung zu stellen.
- Der Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, mindestens drei Mitgliedern des Beteiligten zu 1), insbesondere dessen Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden sowie Mitgliedern dessen geschäftsführenden Ausschusses den Zutritt zu Betrieben des Beteiligten zu 2), die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfüllen und in denen kein Betriebsrat besteht, zum Zwecke der Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl, insbesondere anlässlich einer Informationsveranstaltung zu gestatten.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 2) zugelassen, für den Beteiligten zu 1) nicht zugelassen
Tatbestand
I.
Das Verfahren soll klären, ob der Gesamtbetriebsrat zur Durchführung von Informationsveranstaltungen für die Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstandes befugt ist.
Der Beteiligte zu 2) ist eine gemeinnützige Körperschaft, die bundesweit mit über 6.500 Mitarbeitern Patienten mit Nierenerkrankungen in 211 Behandlungseinrichtungen versorgt. Der Beteiligte zu 1) ist der bei dem Beteiligten zu 2) gebildete Gesamtbetriebsrat. 169 Betriebsstätten des Beteiligten zu 2) sind betriebsratsfähig. Die Arbeitnehmer in 80 Betriebsstätten werden durch Betriebsräte vertreten. In den übrigen Betriebsstätten besteht kein Betriebsrat. Zur Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl in betriebsratslosen Betrieben führte der Beteiligte zu 1) in den vergangenen sieben Jahren Informationsveranstaltungen in diesen Behandlungseinrichtungen durch. Die Einladungen zu diesen Veranstaltungen lauteten im Wesentlichen wie folgt:
„An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Nierenzentrums […] […] hiermit laden wir Euch […] zur Informationsveranstaltung des Gesamtbetriebsrates ins Nierenzentrum… ein.
Themen dieser Informationsveranstaltung werden sein:
- allgemeine Informationen zu den Aufgaben eines Betriebsrates
- Informationen zur Tätigkeit des Gesamtbetriebsrates im…
- eventuell Bestellung eines Wahlvorstandes zur Betriebsratswahl Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen an der Veranstaltung teilnehmen. Die Teilnahme an der Veranstaltung (inklusive eventueller An- und Rückfahrtzeiten) wird als Arbeitszeit gewertet und dementsprechend vergütet.”
Auf die Einladung vom 17. Dezember 2008 zur Informationsveranstaltung in A wird Bezug genommen (Bl. 25 d. A.). In der Vergangenheit bis 2008 ist der Wahlvorstand vor Ort durch zwei Mitglieder des Gesamtbetriebsrats bestellt worden, seither durch den Gesamtbetriebsrat im Plenum oder durch den geschäftsführenden Ausschuss per Beschluss. Der Beteiligte zu 2) ist nicht mehr bereit, diese Veranstaltungen zuzulassen und dafür Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Der Beteiligte zu 1) hat vorgetragen, dass er nur dann Informationsveranstaltungen durchführe bzw. durchgeführt habe, wenn die Mitarbeiter des jeweiligen Betriebes an ihn herangetreten seien und darum gebeten hätten, das Notwendige für die Wahl eines Betriebsrates einzuleiten. Er ist der Ansicht gewesen, dass dem Gesamtbetriebsrat als Minus zu der Berechtigung, gemäß § 17 Abs. 1 BetrVG einen Wahlvorstand zu bestellen, die Befugnis zustehen müsse, zu einer entsprechenden Betriebsversammlung einzuladen, insbesondere auch, um die Beschäftigten in diesen Prozess einzubinden. Des Weiteren hat ...