Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats hinsichtlich der Bildung eines Gesamtbetriebsrats. Rechtsfolgen von die Betriebsstruktur betreffenden Mängeln bei Betriebsratswahlen. Voraussetzungen der Nichtigkeit der Wahl
Leitsatz (amtlich)
1. Beschließen die Arbeitnehmer eines Unternehmens nach § 3 Absatz 3 BetrVG die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats, ist kein Gesamtbetriebsrat zu bilden.
2. Mängel bei Betriebsratswahlen, insbesondere soweit sie die Betriebsstruktur betreffen, führen regelmäßig nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit (Unwirksamkeit) der betreffenden Wahl. Nur die offensichtliche Verkennung des Betriebsbegriffs kann zur Nichtigkeit führen.
Normenkette
BetrVG §§ 47, 3 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 27.10.2020; Aktenzeichen 7 BV 4/19) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2, 4 und 7 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 27. Oktober 2020 – 7 BV 4/19 – unter Zurückweisung der Beschwerden im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Wahl vom 3.7.2019 im Unternehmen der Antragstellerin zur Bestimmung der Mitglieder und des A zum Vorsitzenden des Beteiligten zu 2 sowie des B zum stellvertretenden Vorsitzenden des Beteiligten zu 2 unwirksam ist.
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 2 nicht wirksam errichtet wurde.
Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Nichtigkeit und Unwirksamkeit der Wahl zur Bestimmung der Mitglieder sowie des Vorsitzenden und seines Stellvertreters des Gesamtbetriebsrats (Beteiligter zu 2) sowie über die (rechtliche) Existenz des Gesamtbetriebsrats.
Der Arbeitgeber (Antragsteller) beschäftigt an mehr als 30 Standorten in Deutschland etwa 4600 Arbeitnehmer. Am 26. April 2002 fand im Unternehmen seiner Rechtsvorgängerin, bei der zum damaligen Zeitpunkt keine tarifliche Regelung nach § 3 Abs. 1 BetrVG bestand und kein Betriebsrat gebildet war, eine Abstimmung der Arbeitnehmer über die Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats (UBR) statt. Dabei stimmte die Mehrheit der Stimmberechtigten für die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Daraufhin wurde im Jahr 2002 und in der Folgezeit nach § 3 Abs. 3 BetrVG jeweils ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat (Beteiligter zu 7) gewählt.
Beteiligter zu 3 war der bislang am Standort C gebildete Betriebsrat.
Beteiligte zu 4-6 sind die an den Standorten D, E und F gebildeten Betriebsräte.
Nachdem bereits vor 2018 ein Gesamtbetriebsrat am Standort G gebildet war, in den auch der unternehmenseinheitliche Betriebsrat Mitglieder entsandt hatte, stellten sich die zu 3-5 beteiligten örtlichen Betriebsräte auf den Rechtsstandpunkt, dass ein Gesamtbetriebsrat ohne Mitwirkung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats zu bilden sei. Dies erfolgte sodann am 3. Juli 2019. Am 4. Juli 2019 wurden der Gesamtbetriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter neu gewählt.
Dagegen haben sich der Arbeitgeber und der unternehmenseinheitliche Betriebsrat mit ihren am 17. Juli 2019 bzw. 28. April 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen gewandt.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 199-202R der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats mangels Feststellungsinteresse als unzulässig abgewiesen und dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 202R bis 204 der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde den Beteiligten zu 1-5 am 7. Januar 2021 und den Beteiligten zu 6 und 7 am 11. Januar 2021 zugestellt. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist am 4. Februar 2021, die des Beteiligten zu 4 am 8. Februar 2021 (Montag) und die des Beteiligten zu 7 am 1. Februar 2021 eingegangen. Nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist für den Beteiligten zu 4 bis 8. April 2021 ist die Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 4 am 8. April 2021 eingegangen. Die Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 7 ist am 17. Februar 2021 eingegangen und die des Beteiligten zu 2 am 5. März 2021.
Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat rügt, das Arbeitsgericht habe seine Anträge zu Unrecht wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse abgewiesen. Dieses sei nicht davon abhängig, ob ein anderer Beteiligter des Verfahrens ebenfalls ein Interesse an der Feststellung hat und dieses im Verfahren geltend macht. Hier folge das Feststellungsinteresse des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats unmittelbar daraus, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, ob der Vorsitzende und sein Stellvertreter des Gesamtbetriebsrats ohne Einbeziehung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats bzw. der von ihm entsandten Mitglieder gewählt werden durfte. Das Arbeitsgeric...