Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsabwehrklage. Rechtskraftwirkung. Vollstreckungstitel. Verschmelzung. Betriebsrat. Übergangsmandat
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 325 ZPO wirkt eine rechtskräftige Entscheidung für und gegen die Parteien und Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Partei geworden sind. Ist im Verhältnis zwischen Betriebsrat und einem Betriebsveräußerer eine Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat rechtskräftig festgestellt worden, so wirkt die Rechtskraft dieser Entscheidung gegenüber dem Betriebserwerber nur, wenn die Identität des übernommenen Betriebs erhalten bleibt. Daran kann es im Fall einer Verschmelzung fehlen.
Normenkette
BetrVG § 21a; ZPO § 767 Abs. 2; UmwG § 324; ZPO § 325
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 26.01.2006; Aktenzeichen 7 BV 9/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 26. Januar 2006 – 7 BV 9/05 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 85 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 767 ZPO).
Am 17. August 1989 erwirkte der für A gebildete Betriebsrat der Firma B gegen diese beim Arbeitsgericht Darmstadt – Az. 10/7 BV 22/89 – einen rechtskräftigen Beschluss, mit dem der Arbeitgeberin aufgegeben wurde, es zu unterlassen, aus betrieblichem Anlass Arbeit von Arbeitnehmern über die betriebsübliche Arbeitszeit hinaus anzuordnen oder entgegenzunehmen, ohne vorher die Zustimmung des Betriebsrats bzw. deren Ersetzung durch die Einigungsstelle zu erwirken. Ausgangspunkt jenes Verfahrens war eine zwischen deren Beteiligten am 01.07.1987 abgeschlossene „Betriebsvereinbarung Überstunden”. Wegen des vollständigen Inhalts des genannten Beschlusses wird auf Bl. 1 – 6 der beigezogenen Akte des Arbeitsgerichts Darmstadt – 10/7 BV 22/89 – Bezug genommen. Aufgrund eines entsprechenden Verschmelzungsvertrages vom 29.12.2004 (Bl. 11 – 20 d.A.) wurde am 13. Januar 2005 die Verschmelzung der Schuldnerin des genannten Titels vom 17.08.1989 auf die Firma M in das Handelsregister eingetragen (Bl. 22 – 27 d.A.). Diese firmierte in die B, die Antragstellerin dieses Verfahrens um. Aufgrund eines Zuordnungstarifvertrages vom 21.12.2004 (Bl. 28 – 33 d.A.) wurde ein Betrieb Niederlassung C gebildet, zu dem die Betriebsstandorte D, E, F, G, H und I, die der Gläubiger des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 17.08.1989 vertreten hatte und die Betriebsstätten J, IZ K und L, für die bei der M ein Betriebsrat gebildet worden war, zählten. Vom Zeitpunkt der Verschmelzung am 13. Januar 2005 an nahm der erstgenannte Betriebsrat ein Übergangsmandat gem. § 21 a BetrVG für den Betrieb C wahr. Vom 01. – 03.05.2005 fanden Betriebsratswahlen statt, an denen für die erstgenannten Betriebsstätten ca. 200 Arbeitnehmer und für die übrigen ca. 60 Arbeitnehmer teilnahmen und den Betriebsrat wählten, den Antragsgegner und Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Betriebsrat).
Nachdem der Betriebsrat mehrere Anträge auf Festsetzung von Ordnungsgeldern wegen behaupteter Verstöße gegen die Verpflichtung aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 17.08.1989 gegen die Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Arbeitgeberin) gestellt hatte, hat diese das anhängige Verfahren eingeleitet.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Vollstreckung aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt sei unzulässig, weil sie nicht Schuldnerin und der Betriebsrat nicht Gläubiger dieses Titels sei. Im Übrigen hat sie gemeint, dass sich seine Rechtskraft nicht auf sie erstrecke, da die Identität des übernommenen Betriebes nicht erhalten geblieben sei.
Sie hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 17.08.1989 zu dem Az. 10/7 BV 22/89 für unzulässig zu erklären.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er hat die gegenteilige Auffassung vertreten.
Mit am 26.01.2006 verkündetem Beschluss hat das Arbeitsgericht Darmstadt – 7 BV 9/05 – dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das titulierte Recht sei infolge der neuen Betriebsstruktur aufgrund der Verschmelzung untergegangen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts wirke nicht gem. § 325 ZPO gegenüber der Arbeitgeberin als aufnehmender Gesellschaft, da der übernommene Betrieb seine Identität verloren habe. Die Betriebsstruktur für die Niederlassung C habe sich nämlich grundlegend geändert, nachdem er aus weiteren zusätzlichen Betriebsstandorten gebildet werde. Mit den Neuwahlen zwischen dem 01. und 03. Juni 2005 habe eine andere Betriebsgemeinschaft einen anderen Betriebsrat gewählt, der nicht Rechtsnachfolger des Gläubigers aus dem Titel des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 17.08.1989 sei. Der titulierte Unterlassungsanspruch sei kein Selbstzweck, sondern diene der Durchset...