Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgebliches Recht für das Verfahren zur Klärung der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung in Übergangsfällen. Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV-Bau
Leitsatz (amtlich)
1. Das zum 16. August 2014 in Kraft getretene Tarifautonomiestärkungsgesetz mit der Änderung des Rechtsschutzsystems nach den §§ 2aAbs. 1 Nr. 5, 98 ArbGG bei Streit um die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) gilt auch für anhängigeRechtsstreitigkeiten.
2. Ist ein Beschlussverfahren gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG n. F. bei dem zuständigen Landesarbeitsgericht bereits anhängig, ist derRechtsstreit auszusetzen, es sei denn, "vernünftige" Gründe, die gegen die Wirksamkeit der AVE sprechen, sind nicht ersichtlich. Auf dasVorliegen von "erheblichen Zweifeln" kommt es für den Aussetzungsbeschluss nicht an.
Normenkette
ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 27.03.2013; Aktenzeichen 11 Ca 1561/12) |
Nachgehend
Tenor
Der Rechtsstreit wird nach § 98 Abs. 6 ArbGG n.F. bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in den Verfahren 2 BVAVE 5001/14 über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom 15. Mai 2008 (Bundesanzeiger Nr. 104 vom 15. Juli 2008, 2540/Beilage) des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) und 2 BVAVE 5002/14 über die Wirksamkeit der AVE vom 25. Juni 2010 (Bundesanzeiger Nr. 97 vom 2. Juli 2010, S. 2287) des VTV vom 18. Dezember 2009 ausgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er ist nach näherer Maßgabe zu dem Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) hat er von der Beklagten Zahlung von Beiträgen für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juli 2012 in Höhe von 98.400 Euro begehrt. Der Mahnbescheid, mit dem der Rechtsstreit eingeleitet worden ist, datiert vom 17. September 2012.
Die Beklagte, die weder Mitglied im Zentralverband des A. noch im B. ist, unterhält einen Betrieb, in dem arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Arbeiten erbracht wurden.
Die Beklagte hat in dem Rechtsstreit die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen für den Erlass der Allgemeinverbindlicherklärung (kurz: AVE) gemäß § 5 Abs. 1 TVG nicht Vorgelegen hätten. Insbesondere sei das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG erforderliche Quorum nicht erreicht, es fehle auch am öffentlichen Interesse für den Erlass der AVE.
Mit Teilurteil vom 8. August 2014 hat die Kammer die Berufung der Beklagten teilweise zurückgewiesen, soweit der Kläger Beiträge in Höhe von 12.264 Euro für den Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2012 begehrt hat. Im Streit steht zuletzt noch ein Anspruch in Höhe von 86.136 Euro für den Beitragszeitraum Dezember 2007 bis Dezember 2011.
Am 16. August 2014 ist das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11. August 2014 (BGBl. 2014 Teil I Nr. 39, 1348 ff.) in Kraft getreten. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. September 2014 einen Antrag nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 5, 98 Abs. 1 ArbGG n.F. bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag hat sie die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens beantragt.
Der Kläger wendet sich gegen eine vom Gericht beabsichtigte Aussetzung des Verfahrens nach § 98 Abs. 6 ArbGG n.F. und meint, dass die neue Gesetzeslage für bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits anhängige Rechtsstreitigkeiten nicht gelten würde. Nach den allgemeinen Regeln könne eine ursprünglich begründete Zuständigkeit des Prozessgerichts nicht durch nachträgliche Umstände abgeändert werden. Dies sei nach § 17 Abs. 1 GVG für die Frage der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs (sog. perpetuatio fori) und nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO für die sonstige Zuständigkeit des Prozessgerichts vom Gesetzgeber so vorgegeben. Dies gelte auch bei einer Gesetzesänderung. Ferner meint er, dass für eine Aussetzung mindestens die Hürde des § 97 Abs. 5 ArbGG gelten müsste, also mithin "vernünftige Zweifel" an der Wirksamkeit der AVE bestehen müssten. Des Weiteren meint er, dass zu berücksichtigen sei, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits amtlich und objektiv geprüft habe, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer AVE vorlägen. Es müssten daher "erhebliche Zweifel" an der Wirksamkeit der AVE bestehen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Neuregelung erfasse auch bereits anhängige Verfahren.
II. Der Rechtsstreit ist nach § 98 Abs. 6 ArbGG n.F. auszusetzen. Bereits mit Teilurteil vom 8. August 2014 ist über die Beruf...