Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung der titulierten Verpflichtung des Arbeitgebers auf Erteilung einer Vergütungsabrechnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein titulierter Anspruch auf Erteilung einer Vergütungsabrechnung ist nach § 888 ZPO zu vollstrecken.

2. Ist ein festgesetztes Zwangsgeld nicht beizutreiben, so kann gemäß § 802g Abs. 1 ZPO Ersatzzwangshaft angeordnet werden.

3. Die Festsetzung von Ersatzzwangshaft ist jedenfalls dann verhältnismäßig, wenn nach der vom Arbeitgeber erteilten Vermögensauskunft feststeht, dass das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann.

 

Normenkette

ZPO §§ 888, 802g

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 26.08.2020; Aktenzeichen 6 Ca 473/17)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 26. August 2020 - 6 Ca 473/17 - aufgehoben und gegen den Schuldner zur Erzwingung der Verpflichtungen aus dem gerichtlichen „Zwischenvergleich“ vom 29. August 2020 - 6 Ca 473/17 -, nämlich Vergütungsabrechnungen für folgende Monate und folgende Beträge:

1.1

Juli 2017: EUR 1.798,50 abzüglich gezahlter EUR 1.300,00 netto

1.2

August 2017: EUR 1.611,50 brutto abzüglich gezahlter EUR 1.283,56 netto

1.3

September 2017: EUR 1.501,50 brutto abzüglich gezahlter EUR 1.195,12 netto

1.4

Oktober 2017: EUR 1.909,70 brutto

1.5

November 2017: EUR 717,55 brutto

zu erteilen, die Ersatzzwangshaft für die Dauer von 5 Tagen angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens hat der Schuldner zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus einem „Zwischenvergleich“ über die ersatzweise Anordnung der Erzwingungshaft.

Der Schuldner (im Folgenden: Beklagter) und der Gläubiger (im Folgenden: Kläger) haben in dem Gütetermin vom 29. August 2018 bei dem Arbeitsgericht Kassel in dem Rechtsstreit mit dem Az. - 6 Ca 473/17 - einen „Zwischenvergleich“ geschlossen, in dem Folgendes vereinbart wurde:

„Der Beklagte erteilt dem Kläger ordnungsgemäße Vergütungsabrechnungen für folgende Monate und folgende Beiträge:

1.1 Juli 2017: EUR 1.798,50 abzüglich gezahlter EUR 1.300,00 netto

1.2 August 2017: EUR 1.611,50 brutto abzüglich gezahlter EUR 1.283,56 netto

1.3 September 2017: EUR 1.501,50 brutto abzüglich gezahlter EUR 1.195,12 netto

1.4 Oktober 2017: EUR 1.909,70 brutto

1.5 November 2017: EUR 717,55 brutto.“

Zur Durchsetzung der Verpflichtung aus diesem „Zwischenvergleich“ hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2018 (Bl. 85 f. d. A.) beim Arbeitsgericht Kassel die Festsetzung von Zwangsmitteln gegen den Beklagten beantragt.

Im Kammertermin vom 8. Januar 2019 hat das Arbeitsgericht Kassel auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen der im Übrigen noch anhängigen Streitgegenstände ein Klage stattgebendes Versäumnisurteil erlassen, in dem der Beklagte zur Zahlung von Vergütung für die Monate Juli 2017 bis November 2017 sowie der Urlaubsabgeltung verurteilt worden ist. Gegen dieses ihm am 17. Januar 2019 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte keinen Einspruch eingelegt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 11. Februar 2019 (Bl. 102 f. d. A.) gegen den Beklagten wegen der Nichterfüllung seiner Verpflichtung aus dem „Zwischenvergleich“ ein Zwangsgeld in Höhe von € 250,00, ersatzweise für je € 50,00 einen Tag Zwangshaft festgesetzt. Dieser Beschluss ist dem Beklagten am 16. Februar 2019 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2020 (Bl. 110 f. d. A.) hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, gegen den Beklagten einen Haftbefehl zum Vollzug der mit dem Beschluss vom 11. Februar 2019 angeordneten Ersatzhaft zu erlassen. Dies hat er damit begründet, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Beklagten erfolglos geblieben seien. Dieser habe am 22. Oktober 2018 eine Vermögensauskunft abgegeben. Das Vermögensverzeichnis (Bl. 113 ff. d. A.) zeige kein weiteres zugriffsfähiges Einkommen oder Vermögen auf. Ein Zwangsgeld könne nicht beigetrieben werden, so dass nunmehr die Ersatzzwangshaft zu vollstrecken sei.

Mit Beschluss vom 26. August 2020 (Bl. 126 d. A.) hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen und dies damit begründet, dass die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vorlägen. § 888 ZPO sähe vor, dass Zwangshaft gegen den Schuldner nur verhängt werden könne, wenn die Beitreibung eines Zwangsgeldes erfolglos verlaufen sei. Dies setzte jedoch voraus, dass seitens des Gläubigers überhaupt ein Vollstreckungsauftrag an den zuständigen Gerichtsvollzieher zur Vollstreckung des verhängten Zwangsgeldes erteilt worden sei. Im vorliegenden Fall habe der Gläubiger jedoch weder einen derartigen Vollstreckungsauftrag noch ein Pfändungsprotokoll zur Akte gereicht.

Gegen diesen ihm am 1. September 2020 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit am 10. September 2020 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass durch die Vorlage des Vermögensverzeichnisses die Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes nachgewiesen worden sei.

Das Arbeitsgeric...

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