Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Neuzuordnung eines im Homeoffice tätigen Arbeitnehmers zu einem neuen Dienstort
Leitsatz (amtlich)
Eine die Dauer von einem Monat überschreitende Zuordnung eines in einem Home Office tätigen Arbeitnehmers zu einem neuen Dienstort ist auch dann eine mitbestimmungspflichtige Versetzung, wenn der Inhalt seiner Tätigkeit, sein Arbeitsort in seinem Home Office und die Person seines Fachvorgesetzten unverändert bleiben.
Normenkette
BetrVG §§ 95, 99
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.10.2018; Aktenzeichen 14 BV 285/18) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Oktober 2018 – 14 BV 285/18 – abgeändert:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von Versetzungen.
Die Arbeitgeberin ist ein IT-Dienstleister. Sie befasst sich mit der Beratung und Betreuung von Unternehmen auf den Gebieten der Unternehmensstrategie, der Personal- und Organisationsentwicklung, der Informations- und Kommunikationsstrategie, der Systemintegration und der individuellen Softwareentwicklung. Der Beteiligte zu 2) ist der auf der Grundlage einer mit dem bei der Arbeitgeberin gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossenen „Gesamtbetriebsvereinbarung nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1 b, Abs. 2, 4 und 5, 88 BetrVG über die Errichtung einer neuen Betriebsratsstruktur“ vom 11. Januar 2016 gebildete Regionalbetriebsrat Baden-Württemberg, der sich am 01. August 2017 konstituierte und in dem die bis dahin bestehenden Betriebsräte A, B, C und D aufgingen. Wegen des vollständigen Inhalts der Gesamtbetriebsvereinbarung wird auf die Anlage ASt 1 zur Antragschrift (Bl. 22 – 49 d. A.) Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin verfügte bis Ende Dezember 2016 bzw. Ende März 2017 in Baden-Württemberg über die Betriebsstätten C, E, F und D, in denen die Fachvorgesetzten der von der Arbeitgeberin eingesetzten Arbeitnehmern ansässig waren. In D befand sich auch die Betriebsleitung.
Auf der Grundlage eines mit dem Gesamtbetriebsrat unter dem 17. Februar 2017 geschlossenen Interessenausgleichs wurden unter anderem die Betriebsstätten C, E und F geschlossen und in der Betriebsstätte D zusammengeführt. Wegen des Inhalts des Interessenausgleichs wird auf die Anlage ASt 2 zur Antragschrift (Bl. 50 – 57 d. A.) Bezug genommen. Die Fachvorgesetzten wechselten darauf unter Beibehaltung der Überordnungsverhältnisse in die Betriebsstätte D, die in der Folgezeit nach G verlegt wurde. 34 in den bisherigen Betriebsstätten C, E und F beschäftigte Arbeitnehmer wechselten gemäß Ziffer III 1 des Interessenausgleichs in Home Offices. Gemäß dieser Regelung ist die Arbeitgeberin berechtigt, die Arbeitnehmer mit einer Ankündigungsfrist entsprechend der jeweils geltenden Kündigungsfrist, mindestens jedoch von drei Monaten, frühestens zum 01. Januar 2018 aus ihren Home Offices zu versetzen. Weiter war vorgesehen, dass „die jeweils zuständigen Betriebsräte“ an diesen Maßnahmen gemäß §§ 99 ff BetrVG zu beteiligen sind. Neuer Dienstort der betroffenen Arbeitnehmer sollte F bzw. G sein. Dort finden inzwischen Personalgespräche, Betriebsversammlungen und Unterredungen mit dem Betriebsrat statt. Gemäß Ziffer 5.3, 5.4 einer im März 2017 geschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung „Home Office“ haben die in Home Offices tätigen Arbeitnehmer einen eingeschränkten Anspruch auf Fahrtkostenerstattung. Wegen des vollständigen Inhalts der Gesamtbetriebsvereinbarung wird auf die Anlage ASt 4 zur Antragschrift (Bl. 76 – 80 d. A.) Bezug genommen.
Zwei im Jahr 2017 von der Arbeitgeberin bei den Arbeitsgerichten Mannheim und Frankfurt am Main anhängig gemachte Zustimmungsersetzungsverfahren nahm die Arbeitgeberin zurück. Mit Schreiben vom 10. April 2018 unterrichtete sie den Betriebsrat über die „Versetzung“ der 34 Arbeitnehmer „nach G … unter Zuweisung eines dauerhaften Home Office“. Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 20. April 2018 den Maßnahmen widersprochen hatte, leitete die Arbeitgeberin das vorliegende Verfahren ein, in dem sie als Hauptanträge Anträge gemäß §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG stellte sowie hilfsweise die Feststellung beantragte, dass die Zuordnungen der betroffenen Mitarbeiter an neue Dienstorte nicht zustimmungsbedürftige Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG sind.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 184 – 186 d. A.) einschließlich der mit diesem in Bezug genommenen Aktenteile verwiesen. Das Arbeitsgericht wies die Hauptanträge gemäß §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zurück, da diese dem Bestimmtheitsgebot von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entsprächen. Insoweit ist die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen. Auf den Hilfsantrag der Arbeitgeberin stellte das Arbeitsgericht fest, „dass es sich bei den Zu...