Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss eines Sozialplans. Unternehmensweiter Interessenausgleich
Leitsatz (amtlich)
Regelt ein mit dem Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG vereinbarter Interessenausgleich eine Betriebsänderung, die einzelne Betriebe unabhängig voneinander betrifft, oder eine solche, die sich auf einen Betrieb beschränkt, ist ein unternehmensweit zu findender Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile im Sozialplan nicht zwingend. Erfassen die im Interessenausgleich vereinbarten Betriebsänderungen hingegen mehrere oder sogar sämtliche Betriebe des Unternehmens und ist die Durchführung des Interessenausgleichs abhängig von betriebsübergreifend einheitlichen Kompensationsregelungen in dem noch abzuschließenden Sozialplan, so kann diese Aufgabe von den Betriebsräten der einzelnen Betriebe nicht mehr wahrgenommen werden; sie ist dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen (BAG 23.10.2002 - 7 ABR 55/01 - AP Nr. 26 zu § 50 BetrVG 1972, Rn. 26). Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber für das Gesamtunternehmen oder jedenfalls betriebsübergreifend freiwillige Leistungen ("Topf") zur Verfügung stellt (Bundesarbeitsgericht 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05-BAGE 118,131, Rn. 32). Ferner ist dies der Fall, wenn die Umsetzung der unternehmerischen Maßnahme betriebsübergreifende Versetzungen zur Folge hat (Bundesarbeitsgericht 23.10.2002-7 ABR 55/01-Rn. 27). Letzteres war hier der Fall, da die Durchführung des Interessenausgleichs im Wege betrtiebsübergreifender einheitlicher Kompensationsregelungen im Hinblick auf betriebsübergreifende Versetzungen und die Unterbreitung von Angeboten bei anderen Arbeitgebern sowie die Neubesetzung von Stellen durch Qualifizierung von mindestens 200 Mitarbeitern im Wege einer unternehmenseinheitlichen Koordination durch eine Transfergesellschaft mit einer einheitlichen Leitung erfolgte.
Normenkette
BetrVG § 50 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 02.09.2011; Aktenzeichen 9 BV 733/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2.9.2011 - 9 BV 733/10 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Anwendung einer vom Betriebsrat vereinbarten Protokollnotiz zu einer Gesamtbetriebsvereinbarung sowie über die Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung.
Die Beteil. zu 2 (früherer Arbeitgeber) bildete im Jahr 2009 für die bisher in ihren örtlichen Betrieben eingegliederten Einheiten A (A) eigene Betriebe. Diese wurden zu überregionalen Flächenbetrieben, unter anderem dem Betrieb A Region Mitte, nach § 3 BetrVG zusammengefasst. Am 1. Oktober 2010 fand eine Ausgliederung auf eine rechtlich selbstständige Einheit -Beteiligte zu 3 (derzeitiger Arbeitgeber)- statt. Die Flächenbetriebsstruktur blieb erhalten. Der Antragsteller ist der örtliche Betriebsrat des Flächenbetriebs A Region Mitte. Beteil. zu 4 ist der bei der B (Beteiligte zu 2, früherer Arbeitgeber) gebildete Gesamtbetriebsrat.
Am 2. Juli 2010 vereinbarte der frühere Arbeitgeber (Beteil. zu 2) mit dem Betriebsrat A Region Mitte eine Protokollnotiz zur Berechnung von Abfindungsbeträgen aufgrund der Neuorganisation der A für die Region Mitte (Bl. 100-102 der Akten). Der frühere Arbeitgeber (Beteil. zu 2) und der Gesamtbetriebsrat schlossen am 10. August 2010 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zugleich Interessenausgleich und Sozialplan "Restrukturierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der A"; insoweit wird auf Bl. 69 bis 99 der Akten Bezug genommen.
Der Betriebsrat begehrt die vollumfängliche Anwendung der Protokollnotiz und wendet sich gegen die Anwendung der Gesamtbetriebsvereinbarung. Er hat die Auffassung vertreten, eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zum Abschluss des in der Gesamtbetriebsvereinbarung enthaltenen Sozialplans sei nicht gegeben. Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Protokollnotiz sei als örtlicher Sozialplan einzuordnen, auf dessen Grundlage die Abfindungen zu berechnen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen unter A. der Gründe des Arbeitsgerichts (Bl. 517-533 der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Der Abschluss des Sozialplans falle gem. § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, da die durch die Personalreduzierung entstehenden Nachteile vorliegend nur unternehmenseinheitlich ausgeglichen werden könnten. Ein betriebsübergreifendes Regelungsbedürfnis für die Gesamtbetriebsvereinbarung ergebe sich aus der dort vorgesehenen Möglichkeit der unternehmensweiten Versetzung und der Unterbreitung von Angeboten bei anderen Arbeitgebern. Die Organisation von betriebsübergreifenden Versetzungen bedürfe zwingend einer einheitlichen Koordination. Auch die in der Betriebsvereinbarung enthaltenen Regelungen zum Neuaufbau vo...