Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckungsgegenklage. Betriebsvereinbarung. Regelungsabrede. Kündbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
Regelungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in einem gerichtlichen Vergleich stellen eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede dar und sind entsprechend § 77 Abs. 5 BetrVG kündbar.
Normenkette
ZPO § 767; BGB § 126 Abs. 4, § 127a; BetrVG § 77 Abs. 5-6
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.02.2006; Aktenzeichen 18 BV 821/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 2006 – 18 BV 821/05 – abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main geschlossenen Vergleich vom 05. Oktober 1988 – 14 BV 23/87 – wird für unzulässig erklärt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Vergleich.
Antragsteller und Beteiligter zu 1) ist der Arbeitgeber, Beteiligter zu 2) ist der für den Betrieb des Beteiligten zu 1) gewählte Betriebsrat. Die Beteiligten schlossen am 5. Okt. 1988 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main zur Erledigung des Beschlussverfahrens 14 BV 23/87 folgenden Vergleich:
- „Der Antragsgegner wird den Antragsteller im Vorfeld personeller Maßnahmen, soweit es sich nicht um Ersatzbeschäftigung handelt, so früh wie möglich, auf jeden Fall vor interner Ausschreibung, über die geplante personelle Maßnahme unterrichten und sie mit dem Antragsteller beraten.
- Mit diesem Vergleich ist das Verfahren erledigt.”
Der Betriebsrat ließ den Vergleich am 22. April 2005 förmlich zustellen. Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat durch Schreiben vom 19. Mai 2005 mit, er kündige die Vereinbarung fristgerecht. Der Betriebsrat bestand darauf, dass die Vereinbarung weiterhin Bestand habe.
Der Arbeitgeber ist der Ansicht gewesen, die im Vergleich getroffene Regelung stelle eine freiwillige Betriebsvereinbarung dar. Die in § 77 Abs. 2 BetrVG vorgeschriebene Schriftform werde durch die Protokollierung des gerichtlichen Vergleiches ersetzt, §§ 126 Abs. 4, 127 a BGB. Es könne indessen dahinstehen, ob der Vergleich materiellrechtlich eine freiwillige Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede darstelle, da auch für Regelungsabreden die Kündigungsmöglichkeit des § 77 Abs. 5 BetrVG gälte.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
- die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt am Main geschlossenen Vergleich vom 5. Okt. 1988 – 14 BV 23/87 – für unzulässig zu erklären;
hilfsweise,
festzustellen, dass nach Ablauf des 20. August 2005 aus der Vereinbarung in dem Prozessvergleich vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 5. Okt. 1988 – 14 BV 23/87 – Ansprüche des Betriebsrats nicht mehr hergeleitet werden können und den Arbeitgeber aus der im Vergleich getroffenen Vereinbarung keine Verpflichtungen mehr treffen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Betriebsrat ist der Auffassung gewesen, so wenig eine gerichtliche Entscheidung kündbar sei, sei es ein gerichtlicher Vergleich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Anträge durch Beschluss vom 14. Febr. 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vergleich beinhalte keine eigenständige Betriebsvereinbarung über die Ausgestaltung der Mitbestimmungsrechte nach §§ 92 ff. BetrVG, weil kein normativer, auf die Arbeitsverhältnisse wirkender Teil einer solchen Vereinbarung auszumachen sei. Es könne zudem nicht unterstellt werden, dass der Betriebsratsvorsitzende bei der Anhörung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung ermächtigt gewesen sei. Auch eine betriebsverfassungsrechtliche Regelungsabrede sei mangels eines Betriebsratsbeschlusses nicht zustande gekommen. Auf jeden Fall hätte die Kündigung die Wirkung des Vergleichs nicht beseitigt, da sonst Rechtsunsicherheit und Missbrauch bei der Erledigung von Beschlussverfahren Tür und Tor geöffnet wäre. Die Effektivität der Erledigung wäre im Hinblick auf das Ziel der Rechtssicherheit und Rechtsbefriedigung schwer beeinträchtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.
Gegen diesen ihm am 6. April 2006 zugestellten Beschluss hat der Arbeitgeber am 4. Mai 2006 Beschwerde eingelegt und diese am 19. Mai 2006 begründet.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung, Gegenstand einer Betriebsvereinbarung könnten auch betriebsverfassungsrechtliche Fragen sein. Auf eine fehlende vorherige Beschlussfassung des Betriebsrats käme es wegen der Prozessvollmacht seines Bevollmächtigten nicht an. Sie wäre spätestens durch die im Beschluss des Betriebsrats zur förmlichen Zustellung liegende Genehmigung geheilt worden. Der Vergleich...