Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichsgebühr. Rücknahme der Kündigung. Kostenaufhebung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die einvernehmliche Rücknahme einer Kündigung stellt einen Vergleich dar, wenn zugleich eine Einigung über die Kostenaufhebung erfolgt.

 

Normenkette

BRAGO § 23; BGB § 779

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Beschluss vom 08.12.2003; Aktenzeichen 6 Ca 27/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 8. Dezember 2003 – 6 Ca 27/03 – wird bei einem Beschwerdewert von 566,–Euro zurückgewiesen.

Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Mit der am 06. Februar 2003 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung vom 30. Januar 2003 und des Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses. Im Kammertermin vom 14. Mai 2003 schlossen die Parteien folgenden Vergleich:

  1. Die Beklagte zu 1) nimmt die Kündigung vom 30. Januar 2003 zurück. Der Kläger ist mit der Rücknahme der Kündigung einverstanden.
  2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen weiter besteht.
  3. Mit diesem Vergleich ist der Rechtsstreit erledigt.
  4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Danach wurde der Wert des Streitgegenstandes für die Klage und den Vergleich auf 14.400,– Euro festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 13. November 2003 beantragte der Klägervertreter Kostenfestsetzung gegen die eigene Partei nebst Zinsen seit Antragstellung wie folgt:

10/10 Prozessgebühr

566,00 EUR

10/10 Prozessgebühr

566,00 EUR

10/10 Vergleichsgebühr

566,00 EUR

Auslagenpauschale

20,00 EUR

16 % MwSt

274,88 EUR

1992,88 EUR

abzüglich bereits gezahlter

1336,32 EUR

noch festzusetzen

656,56 EUR

Mit Beschluss vom 08. Dezember 2003 setzte der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht die Kosten antragsgemäß fest.

Nach Zustellung dieses Beschlusses an den Kläger am 10. Dezember 2003 legte dieser mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2003, eingegangen am gleichen Tage, sofortige Beschwerde ein mit Ansicht, im Termin vom 14. Mai 2003 sei kein Vergleich, der den Anspruch auf eine Vergleichsgebühr begründe, abgeschlossen worden, da ein Nachgeben des Klägers nicht erkennbar sei.

Am 04. Januar 2004 hat der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß den §§ 19 Abs. 2 Satz 3 BRAGO; 104 Abs. 3 Satz 1; 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO; 21 Nr. 2; 11 Abs. 2 RPflG; 78 Satz 1 ArbGG statthafte sofortige Beschwerde des Klägers vom 23. Dezember 2003 ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben. Der Beschwerdewert von 50 Euro ist überschritten.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Die sofortige Beschwerde nicht begründet.

Der Klägervertreter hat gegenüber dem Kläger Anspruch auf die begehrten und festgesetzten 656,56 Euro nebst Zinsen nach Maßgabe seines Antrages vom 13. November 2003.

Insbesondere hat der Klägervertreter auch Anspruch auf eine Vergleichsgebühr gemäß § 23 BRAGO in Höhe zutreffend ermittelter 566,00 Euro, denn der Klägervertreter hat im Sinne dieser Vorschrift beim Abschluss eines Vergleichs mitgewirkt.

Die in § 23 Abs. 1 BRAGO erfolgte Verweisung auf die materiell-rechtliche Bestimmung des § 779 BGB stellt klar, dass ein Vergleich auch im kostenrechtliche Sinne nur dann gegeben ist, wenn der Rechtsstreit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, wobei sich das Nachgeben auf Tatsachenbehauptungen oder gegebene oder vermeintliche Rechtspositionen der Parteien in Bezug auf die in den Vergleich einbezogenen Gegenstände oder Nebenforderungen, z.B. Zins- oder Kostenerstattungsansprüche, beziehen muss. Auch geringes Nachgeben genügt (vgl. statt aller: Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Auflage 1999, § 23 Randziffer 5 ff).

Kein Vergleich liegt dagegen vor, wenn eine Partei ihr Klageziel uneingeschränkt erreicht (LAG Niedersachsen, MDR 2001, 654 und LAGE § 23 BRAGO Nr. 7; LAG Düsseldorf, MDR 1999, 445; LAG Köln, NZA 2001, 632; Hessisches LAG, NZA-RR 2000, 105; Hartmann, Kostengesetze, 31. Auflage 2002, § 23 BRAGO Randziffer m.w.N.; Kammerbeschlüsse vom 16. Oktober 2002 – 13 Ta 299/02 –, vom 11. Juni 2003 – 13 Ta 167/03 –, vom 24. November 2003 – 13 Ta 456/03 – und LAG Düsseldorf, NZA-RR 2003, 601), auch wenn dies in die Form eines Vergleiches gekleidet wird.

In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage eines gegenseitigen Nachgebens bei Vorliegen eines sogenannten „Anerkenntnis-Vergleichs” mit unterschiedlichsten Begründung kontrovers behandelt (vgl. bejahend LAG Rheinland-Pfalz vom 20.02.1986 – 1 Ta 12/86 –, LAGE zu § 31 BRAGO Nr. 13; LAG Düsseldorf vom 20.03.1986 – 7 Ta 77/86 –, LAGE zu § 23 BRAGO. Nr. 2; LAG München vom 28.04....

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