Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Aktenzeichen 1 Ca 45/99)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Darmstadt wird auf Kosten der klagenden Partei zurückgewiesen.

Die weitere sofortige Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten um den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Die klagende Partei ist in der Ukraine geboren und lebt dort. Ab 1942 war sie dem Unternehmen der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in Deutschland zur Arbeit zugeteilt und in einem bewachten Lager untergebracht. Während ihres Arbeitseinsatzes unterstand sie deren Weisungen. Für diesen Zwangseinsatz verlangt sie von der Beklagten eine Entschädigung und hat deswegen im März 1999 beim Arbeitsgericht Darmstadt Klage eingereicht Sie hat in der Klageschrift vorgetragen, 1942 festgenommen und gegen ihren Willen mit einem Sammeltransport nach Deutschland verbracht worden zu sein. In der Folge hat sie vorgetragen, sie sei von Beauftragten der Beklagten in der Ukraine angeworben worden. Ihr seien Zusicherungen über Bezahlung. Unterkunft und Verpflegung gemacht worden, die für die damalige Zeit in der Ukraine durchaus erlockend gewesen seien. Diese Zusagen seien nicht eingehalten und die Klagende Partei stattdessen als Zwangsarbeiter/in eingesetzt worden. Das Arbeitsgericht Darmstadt hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen durch Beschluß vom 7. April 1999 für unzulässig gehalten und den Rechtsstreit an das LG Darmstadt verwiesen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, es liege keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis vor. Gegen diesen der klagenden Partei am 21. April 1999 zugestellten Beschluß hat sie am 26. April sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat die Beschwerde im wesentlichen damit begründet, nach den Verordnungen über die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels und über die Arbeitsverpflichtung und, der Verordnung vom 30. Juni 1942 seien deutsche Arbeiter und die sog. Ostarbeiter in der Rüstungsindustrie von rechtlich kleinen Unterschieden abgesehen arbeitsrechtlich gleichgestellt gewesen. Auf das erst- und zweitinstanzliche Vorbringen der klagenden Partei wird im übrigen Bezug genommen.

Die Beklagte hat sich in diesem Verfahren nicht geäußert.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft. Gegen die Entscheidungen der Arbeitsgerichte über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges findet das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statt. § 48 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG. Sie ist auch zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde, 78 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 569, 577 Abs. 2 ZPO.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) und d), § 5 ArbGG ist zu verneinen. Die klagende Partei ist nicht Arbeitnehmer i. S. v. § 5 Abs. 1 ArbGG gewesen. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienst eines anderen zur fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die Arbeit der klagenden Partei bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde nicht aufgrund eines privatrechtlichen oder diesem gleichgestellten Rechtsverhältnisses durchgeführt (vgl. BAG Beschl. v. 18. Nov. 1986 – 7 AZR 311/85 – EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 8). Die klagende Partei ist auch nicht sog. arbeitnehmerähnliche Person, weil dies nur angenommen werden kann, wenn die Dienste aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages verrichtet werden (vgl. § 12 a Abs. 1 Nr. 1 TVG). Auch ein sog. faktisches Arbeitsverhältnis kann nicht angenommen werden, weil dies ein mit Wissen und Wollen der Vertragsparteien eingegangenes Beschäftigungsverhältnis voraussetzt (im Ergebnis ebenso Frauendorf. Die Entschädigung von NS-Zwangsarbeit – ein aktuelles Problem, ZRP 1999, 1, 3; ders.: Ansprüche von Zwangsarbeitern aus Osteuropa gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen Arbeitgeber, die Zwangsarbeiter eingesetzt haben, in: Barwig, Hrsg.: Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, Baden-Baden 1988. S. 135 ff., 153,). Die Gerichte für Arbeitssachen entscheiden nach der Gesetzeslage in individualrechtlichen Streitigkeiten nur über durch Vertrag zustandegekommene Arbeitsverhältnisse oder arbeitsrechtsähnliche Rechtsverhältnisse und nicht über die Ausbeutung von Menschen durch Arbeit, zu der diese durch staatlichen Terror gezwungen wurden, auch wenn der Einsatz der „fremdvölkischen Arbeitskräfte”, deren Zahl für 1942 mit fast 5 Millionen angenommen wird, im Interesse der Wirtschaft lag (vgl. Majer, „Fremdvölkische” im Dritten Reich, Boppard am Rhein 1993, S. 254, 255). Es wird insoweit angenommen (etwa Frauendorf, Die Entschädigung von NS-Zwangsarbeit – ein aktuelles Problem, ZRP 1999, 1 ff.), ausländische Arbeitskräfte seien den Unternehmen grundsätzlich nur auf Anforderung zur Verfügung gestellt worden; die Unternehmen seien nicht gezwu...

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