Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsantrag. Mitteilung der Tagesordnung. Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses. Zulässigkeit eines auf ein vergangenes Rechtsverhältnis gerichteter Feststellungsantrags. Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung mangels wirksamen Beschlusses des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
1. Ein auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichteter Antrag ist nur zulässig, wenn sich aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben.
2. Eine Betriebsvereinbarung ist unwirksam, wenn ihr kein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats zugrunde liegt. Der Arbeitgeber kann nicht einwenden, etwaige Unzulänglichkeiten lägen in der Sphäre des Betriebsrats.
Normenkette
ZPO § 256; BetrVG §§ 77, 29 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 24.03.2011; Aktenzeichen 10 BV 15/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 24.3.2011 - 10 BV 15/10 - abgeändert:
Der Antrag des Arbeitgebers wird zurückgewiesen.
Auf den Antrag des Betriebsrats wird festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung über die Durchführung von Torkontrollen im Distributioncenter der W Standort E zwischen der W und dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs E vom 8.12.2009 keine Rechtswirkung entfaltet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Rechtswirksamkeit einer Betriebsvereinbarung und deren Kündigung.
Die Beteiligten zu 1 und 3 (Arbeitgeber) betreiben als Gemeinschaftsbetrieb in E ein Distributionscenter zum Vertrieb von Kosmetik und Düften, in dem etwa 360 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Beteil. zu 2 ist der für diesen Gemeinschaftsbetrieb auf der Grundlage eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gebildete Betriebsrat. Vor dessen Wahl am 11. Februar 2010 hatte das Vorgängergremium mit dem Arbeitgeber unter dem 8. Dezember 2009 die Betriebsvereinbarung über die Durchführung von Torkontrollen im Distributionscenter der M, Standort E (Bl. 5-6 der Akten) vereinbart. Nach deren Ziffer 6 ist die Betriebsvereinbarung erstmals mit einer Frist von drei Monaten zum 1. August 2012 kündbar. Der aus 19 Mitgliedern bestehende (Vorgänger-)Betriebsrat, von denen 16 an der Abstimmung teilgenommen haben, beschloss auf einer Klausurtagung vom 14. bis 16. Dezember 2009 die Zustimmung zu der genannten Betriebsvereinbarung; wegen der Einladung zu der Klausurtagung und deren Tagesordnung wird auf Bl. 238 bis 240 der Akten, wegen dem Protokoll der Klausurtagung wird auf Bl. 241-248 der Akten Bezug genommen. Mit Schreiben vom 13. August 2010 (Bl. 7 der Akten) kündigte der Betriebsrat die Betriebsvereinbarung fristlos, hilfsweise fristgemäß.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I der Gründe (Bl. 132-138 der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben und die Wideranträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Ausführungen unter II des Beschlusses (Blatt 138-144 der Akten) verwiesen.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 20. Mai 2011 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 15. Juni 2011 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 20. Juli 2011 begründet.
Der Betriebsrat ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe unter Verletzung des sich aus § 83 Abs. 1 ArbGG ergebenden Amtsermittlungsgrundsatzes die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats über die Zustimmung zum Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht aufgeklärt.
Der Betriebsrat beantragt,
1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 14. März 2011 -10 BV 15/10- abzuändern;
2. den Antrag der Bet. zu 1 und 3 zurückzuweisen und festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung über die Durchführung von Torkontrollen im Distributionscenter der W Standort E zwischen der W und dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes E vom 8. Dezember 2009 keine Rechtswirkung entfaltet, hilfsweise keine Rechtswirkung entfaltet, soweit ohne konkreten Tatverdacht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Kontrollmaßnahmen wie die Durchsicht mitgeführter Behältnisse, Jacken und Manteltaschen zu dulden haben, weiter hilfsweise festzustellen, dass diese Betriebsvereinbarung nur noch im Wege der Nachwirkung Rechtswirkung entfaltet.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Die Beschwerde des Betriebsrats sei bereits unzulässig, da sie im Wesentlichen aus einer wörtlichen Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen. Unter dem 11. September 2012 hat das Gericht den Beteiligten einen rechtlichen Hinweis erteilt (Bl. 254 der Akten).
II. 1...