Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Zuständigkeiten des Gesamtbetriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
Für Fragen der elektronischen Arbeitszeiterfassung ist der Gesamtbetriebsrat zuständig, auch wenn Detailfragen für mehrere Betriebe unterschiedlich ausgestaltet werden können. Daher ist der Antrag des Betriebsrats eines von 30 Standorten eines Dienstleistungsunternehmens mit dem Ziel der Einrichtung einer Einigungsstelle zum Thema "Fortführung/Einführung einer elektronischen Zeiterfassung" zurückzuweisen, da die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 2, § 87 Abs. 1 Nr. 6, § 50 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 14.09.2015; Aktenzeichen 2 BV 13/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 14. September 2015 - 2 BV 13/15 - abgeändert:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Arbeitgeberin ist ein Dienstleistungsunternehmen mit dreißig Standorten in Deutschland und unter anderem im Immobilienmanagement tätig. In den Betrieben der Arbeitgeberin bestehen Betriebsräte, die einen Gesamtbetriebsrat gebildet haben. Der früher in B gelegene Betrieb, dessen Arbeitnehmer vom antragstellenden Betriebsrat repräsentiert werden, wurde zum 27. Juli 2015 nach C verlegt.
In den Betrieben der Arbeitgeberin wird zumindest überwiegend auf der Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung elektronische Zeiterfassung vom 25. März 2008 zur Erfassung der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer ein EDV-System genutzt. Dies war auch am ehemaligen Standort B der Fall. Das System wird von einem zentralen Server aus betrieben. Der Systemadministrator und die Personalverwaltung der Arbeitgeberin sind berechtigt, betriebsübergreifend die Daten der einzelnen Betriebe einzusehen. Die Arbeitgeberin entschloss sich, das System nach dem Umzug nach C nicht mehr zu nutzen. Stattdessen hielt sie die Arbeitnehmer des Betriebs dazu an, ihre Arbeitszeiten selbst in Exceltabellen zu erfassen. Aus diesem Anlass machte der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geltend. Dem trat die Arbeitgeberin unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 28. November 1989 (- 1 ABR 97/88 - BAGE 63/ 283) entgegen. Der Betriebsrat verfolgt sein Anliegen im vorliegenden Einigungsstellenbestellungsverfahren weiter.
Das Arbeitsgericht hat gemäß dem Antrag des Betriebsrats Herrn A zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zum Thema "Fortführung/Einführung einer elektronischen Zeiterfassung" bestellt und die Zahl der Beisitzer auf zwei pro Seite festgesetzt. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - ausgeführt, der Antrag sei hinreichend bestimmt. Er sei auch begründet, da die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig sei. Zwar sei es herrschende Meinung, dass dem Betriebsrat im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kein Initiativrecht zustehe. Gleichwohl bestehe aufgrund gegenläufiger Literaturansichten (etwa Fitting BetrVG 27. Auflage § 87 Rn. 251) und des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Januar 2015 (- 10 TaBV 1812/14 - RDV 2015/206) eine Kontroverse, die eine offensichtliche Verneinung der Zuständigkeit der Einigungsstelle nicht zulasse. Wegen der vollständigen Begründung wird auf die Ausführungen unter II des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin hat gegen den mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung am 1. Oktober 2015 zugestellten Beschluss am 6. Oktober 2015 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie hält an ihrer Ansicht fest, dass der Betriebsrat offensichtlich kein Initiativrecht besitze.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf die Schriftsätze vom 6. Oktober und 12. November 2015 Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 14. September 2015 - 2 BV 13/15 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat verteidigt die Würdigung des Arbeitsgerichts wie im Schriftsatz vom 29. Oktober 2015 ersichtlich.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
I. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Antrag im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer gebietet diese auch im Einigungsstellenbestellungsverfahren geltende Norm, dass der Antragsteller konkret angibt, über welchen Gegenstand in der Einigungsstelle verhandelt werden soll. Nicht erforderlich ist es dagegen, den konkreten Inhalt der von ihm angestrebten Regelung darzulegen (vgletwa Hessisches LAG . September 2012 - 4 TaBV 192/12 - ArbR 2012/623, zu II 2, m. w. N.).
Diesem Maßstab entspricht der Antrag des Betriebsrats, da klar erkennbar ist, dass über den Gegenstand Fort- bzw. Einführung einer elektronischen Zeiterfassung verhandelt werden soll. Gegenstand der Einigungsstelle soll daher der Betrieb einer derartigen Zeiterfassung sein. Die Differenzierung zwischen Fort- und Einführung ändert daran nichts. Diese führt nicht zu Unk...