Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit der Mitwirkung eines Dritten keine Hürde für Zwangsvollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung. Kein Zwangsgeld gegen den alle zumutbaren Maßnahmen ergreifenden Schuldner. Pflicht des Schuldners zur Klage gegen Dritten nur bei hinreichenden Erfolgsaussichten. Unmöglichkeit nach Ausscheiden der festgelegten Unterschriftsperson
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zwangsvollstreckung wegen einer nicht vertretbaren Handlung i.S. von § 888 Abs. 1 ZPO ist grundsätzlich nicht schon dann ausgeschlossen, wenn ein Dritter an der Handlung mitwirken muss. Die Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft ist nur dann nicht möglich, wenn eindeutig feststeht, dass der Vollstreckungsschuldner - erfolglos - alle zumutbaren Maßnahmen einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens unternommen hat, um den Dritten zur Duldung der vorzunehmenden Handlung zu veranlassen (vgl. BGH 27. November 2008 - I ZB 46/08 - Rn. 13, NJW-RR 2009, 443; BGH 18. Dezember 2008 - I ZB 68/08 - Rn. 21, NJW 2009, 2308). Voraussetzung für eine Klage gegen den Dritten ist allerdings, dass ein Prozess mit einiger Wahrscheinlichkeit zum Ziel führen kann.
2. Ist ein Geschäftsführer oder Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausgeschieden, so führt dies grundsätzlich zur subjektiven Unmöglichkeit des Schuldners, ein Zeugnis mit den Unterschriften dieser Personen im Nachhinein zu erteilen. Eine Klage gerichtet auf Erteilung der Unterschriftsleistung aus dem Gesichtspunkt einer nachwirkenden Treuepflicht hat regelmäßig keine Aussicht auf Erfolg, da ein nachträgliches Tätigwerden für das Unternehmen dem ehemaligen Geschäftsführer oder Arbeitnehmer schon aus haftungsrechtlichen Gründe prinzipiell nicht zugemutet werden kann.
3. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, das Zeugnis auf einem aktuellen Briefkopf zu erstellen.
Normenkette
ZPO § 888; BGB §§ 242, 275 Abs. 3; GewO § 109; BGB § 362; ArbGG § 62 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.09.2020; Aktenzeichen 3 Ca 3657/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 7. September 2020 - 3 Ca 3657/19 - aufgehoben.
Der Antrag des Gläubigers auf Festsetzung von Zwangsmitteln wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Wege der Zwangsvollstreckung um die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung einer titulierten Verpflichtung zur Erteilung eines bestimmten Zeugnisses.
Die Parteien haben sich im Februar 2019 auf die Aufhebung des Arbeitsvertrages zum 30. April 2019 geeinigt. Gegenstand der außergerichtlichen Einigung war es auch, dem Gläubiger ein Zeugnis mit einem bestimmten Inhalt zu erteilen. Nachdem das Zeugnis nicht wie gewünscht erteilt worden war, hat der Gläubiger Klage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt a.M. erhoben und u.a. die Berichtigung des bereits erteilten Zeugnisses geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. hat der Klage weitgehend stattgegeben und mit Urteil vom 18. November 2019 die Beklagte u.a. verpflichtet, das Zeugnis gemäß einem bestimmten ausformulierten Inhalt neu zu erteilen. Das Zeugnis sollte auf den 30. April 2019 datieren und von Herrn A und Frau B unterzeichnet sein. Gegen dieses Urteil hat die Schuldnerin zunächst Berufung zu dem Hessischen Landesarbeitsgericht (10 Sa 1522/19) eingelegt, welche sie mit Schriftsatz vom 30. April 2020 wieder zurückgenommen hat.
Im Auftrag des Gläubigers hat der Obergerichtsvollzieher der Schuldnerin mit Schreiben vom 1. Juni 2020 das unter dem Datum des 30. April 2019 erteilte Zeugnis Zug-um-Zug gegen Erteilung des neuen Zeugnisses angeboten. Innerhalb der gesetzten Frist von zwei Wochen hat sich die Schuldnerin hierzu nicht erklärt.
Frau B ist seit März 2020 und Herr A seit dem 30. Juni 2020 nicht mehr bei der Schuldnerin beschäftigt.
Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2020 hat der Gläubiger einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds gestellt zur Durchsetzung der Neuerteilung eines Zeugnisses gemäß dem arbeitsrechtlichen Urteil.
Die Schuldnerin übersandte dem Gläubiger ein neues Zeugnis, welches inhaltlich dem ausgeurteilten Tenor entspricht, allerdings von der Geschäftsführerin C unterzeichnet worden ist.
Der Gläubiger hat gemeint, der Schuldnerin müsse ein empfindliches Zwangsgeld auferlegt werden. Die Schuldnerin vertrete zu Unrecht die Auffassung, dass sie ihm kein gutes Zeugnis ausstellen könne, weil er angeblich in China Schäden bei einer anderen Konzerntochter verursacht habe. Der Gläubiger meint ferner, der Schuldnerin sei es nicht unmöglich geworden, das Zeugnis wie beantragt zu erteilen. Insbesondere müsse bedacht werden, dass Herr A und Frau B den Betrieb erst Mitte 2020 verließen, bis dahin aber ausreichend Gelegenheit bestanden habe, das Zeugnis zu unterschreiben. Herr A sei in den Beirat der D-Gruppe gewechselt, es werde daher bestritten, dass es der Schuldnerin unmöglich oder unzumutbar sei, die entsprechenden Unterschriften einzuholen. Es werde auch b...