Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung. Zusammenfassung von Betrieben mit bisher eigenständigen Betriebsräten durch Tarifvertrag. Wahrung der Betriebsidentität. Weitergeltung von Vollstreckungstiteln
Leitsatz (amtlich)
Ein durch einen Tarifvertrag gemäß § 3 BetrVG neu geschaffener Betriebsrat bedarf zur Zwangsvollstreckung aus Titeln der für die betroffenen betrieblichen Einheiten früher zuständigen Betriebsräte nicht einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung im Sinne von § 727 Abs 1 Satz 1 ZPO. Falls er aufgrund einer Wahrung der betrieblichen Identität deren Funktionsnachfolger ist, kann er die Zwangsvollstreckung aus einer dem früheren Betriebsrat erteilten vollstreckbaren Ausfertigung betreiben. Andernfalls kommt eine Zwangsvollstreckung nicht mehr in Betracht, da ein Titel mit dem Verlust der Betriebsidentität erlischt.
Normenkette
BetrVG § 3; ZPO § 727 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.07.2011; Aktenzeichen 9 BV 97/00) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. Juli 2011 – 9 BV 97/00 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel.
Der antragstellende Betriebsrat repräsentiert die von dem zu 2) beteiligten Arbeitgeber in einer Vielzahl von Einrichtungen in A beschäftigten Arbeitnehmer. Sein Zuständigkeitsbereich deckt sich teilweise mit dem des seinerzeit auf der Grundlage eines Tarifvertrages gemäß § 3 BetrVG errichteten „Betriebsrats B”. Letzterer erstritt im Ausgangsverfahren gegen den Arbeitgeber einen rechtskräftigen Unterlassungstitel. Das Arbeitsgericht erteilte diesem am 04. April 2002 eine vollstreckbare Ausfertigung. Der antragstellende Betriebsrat wurde in seiner jetzigen Form durch einen zum 01. Januar 2006 in Kraft getretenen Tarifvertrag über die Bildung betriebsratsfähiger Einheiten gebildet. Im vorliegenden Verfahren beantragt er die Umschreibung des Titels auf ihn mit der Begründung, er sei Rechtsnachfolger des Betriebsrats B. Der Rechtspfleger gab dem Antrag mit Beschluss vom 08. Februar 2011 statt. Auf die Erinnerung der Arbeitgeberin änderte das Arbeitsgericht den Beschluss mit dem angefochtenen Beschluss ab und wies den Antrag zurück. Gegen den am 21. Juli 2011 zugestellten Beschluss legte der Betriebsrat am 04. August 2011 sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet, da der Antrag des Betriebsrats nicht zulässig ist. Dem Betriebsrat fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
Nach § 727 Abs. 1 S. 1 ZPO kann eine vollstreckbare Ausfertigung für den Rechtsnachfolger des in einem Urteil bezeichneten Gläubigers erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge offenkundig ist oder durch öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Auch ein auf diese Norm gestützter Klauselerteilungsanspruch kann nur zugesprochen werden, wenn der Antragsteller für ihn ein rechtlich billigenswertes Interesse hat. Dies ist eine allen gerichtlichen Rechtsbehelfen generell immanente Sachentscheidungsvoraussetzung (vgl. BAG 19. Februar 2008 – 1 ABR 65/05 – AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 11, zu B II 1), die fehlt, wenn der Antragsteller sein Rechtsschutzziel auf einem einfacheren und billigeren Weg erreichen kann (BGH 28. März 1996 – IX ZR 77/95 – LM KO § 12 Nr. 3, zu I 4 a). Dies ist hier der Fall, da der Betriebsrat – falls er zur Vollstreckung aus dem Titel des Betriebsrats B berechtigt sein sollte – die Zwangsvollstreckung aus der am 04. April 2002 erteilten vollstreckbaren Ausfertigung betreiben könnte und keine weitere vollstreckbare Ausfertigung nach § 727 Abs. 1 ZPO benötigt. Die Erteilung einer solchen weiteren vollstreckbaren Ausfertigung würde ihm keine zusätzlichen Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten eröffnen.
§ 727 Abs. 1 ZPO hat den Zweck, einem gemäß § 325 Abs. 1 ZPO von der Rechtskraft eines Titels erfassten Rechtsnachfolger des im Titel genannten Gläubigers die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zu ermöglichen. Die Norm setzt voraus, dass zwischen dem Gläubiger und dem Antragsteller keine Personenidentität besteht. Eine Klauselumschreibung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Im Fall einer Namensänderung bei fortbestehender Personenidentität ist diese vom Vollstreckungsorgan selbst zu prüfen, ohne dass diese Prüfung den Beschränkungen von § 727 Abs. 1 ZPO unterliegt. Allerdings hat der Urkundsbeamte die Möglichkeit, nach Vorlage eines Nachweises auf der Klausel einen entsprechenden Vermerk über die Namensänderung anzubringen. Darin liegt jedoch keine Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung im Sinne von § 727 Abs. 1 ZPO (Schuschke in Schuschke/Walker Zwangsvollstreckungsrecht 3. Aufl. § 727 ZPO Rn. 1 – 3; Stein/Jonas-Münzberg ZPO 22. Aufl. § 727 Rn. 2, 10, 11; Rosenberg/Gaul/ Schilken Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. S. 195; jeweils m. w. N.).
Dem Betriebsrat fehlt danach das Rech...