Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der Anzahl der Mitglieder des zu wählenden Betriebsrats. Rechtsfolgen der Wahl einer unrichtigen Anzahl von Betriebsratsmitgliedern
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wahl einer unrichtigen Anzahl von Betriebsratsmitgliedern stellt einen Mangel des Wahlverfahrens dar, der die Anfechtung der Betriebsratswahl begründet.
2. Für die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer ist die normale Beschäftigtenzahl maßgeblich, also diejenige Personalstärke, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist.
3. Gerade in den Grenzfällen des § 9 BetrVG muss dem Wahlvorstand ein gewisser Beurteilungsspielraum im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens eingeräumt werden.
4. Soweit der Wahlvorstand die künftige, zu erwartende Entwicklung des Beschäftigtenstands zu berücksichtigen hat, ist diese aufgrund konkreter Unternehmerentscheidungen einzubeziehen.
5. Da § 9 Absatz 1 BetrVG auf die beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer abstellt, kann insoweit nur auf Stellenausschreibungen für den Betrieb des Arbeitgebers, für den die betreffende Betriebsratswahl durchgeführt wird, abgestellt werden. Ausschreibungen, die für andere Konzernunternehmen oder andere Betriebe desselben Arbeitgebers erfolgen, sind für die betreffende Betriebsratswahl ohne Bedeutung.
Normenkette
BetrVG §§ 9, 19
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 05.12.2018; Aktenzeichen 9 BV 246/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2018 – 9 BV 246/18 - abgeändert:
Die Betriebsratswahl im Betrieb des Antragstellers in A/B vom 3. April 2018 wird für unwirksam erklärt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Der Arbeitgeber (Antragsteller) unterhält einen Betrieb an 2 Standorten in A und B. Beteiligter zu 2 ist der dort am 3. April 2018 gewählte Betriebsrat. In seinem Wahlausschreiben vom 27. März 2018 (Bl. 24 ff. der Akte) gab der Wahlvorstand die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder mit 11 an. Aus der von ihm ausgehängten Wählerliste (Bl. 8-15 der Akte) ergaben sich 380 Personen. Mit Aushang vom 5. April 2018 (Bl. 27f der Akte) machte der Wahlvorstand bekannt, dass 11 Betriebsratsmitglieder gewählt wurden.
Mit seinem am 19. April 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Arbeitgeber die Betriebsratswahl angefochten. Er hat die Auffassung vertreten, dass zu Unrecht ein Gremium von 11 statt 9 Betriebsratsmitgliedern gewählt wurde, da der Schwellenwert von 401 Beschäftigten nicht überschritten sei.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 146-147 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Der Wahlvorstand habe den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten, indem er von mehr als 400 wahlberechtigten Arbeitnehmern ausgegangen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 147R bis 150 der Akte) Bezug genommen.
Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers am 9. Januar 2019 zugestellt, der dagegen am 5. Februar 2019 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 18. April 2019 am 18. April 2019 begründet hat.
Der Arbeitgeber behauptet, zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens seien insgesamt 380 Arbeitnehmer wahlberechtigt gewesen. „In der Regel“ seien es sogar nur 346. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung vergangener und zu prognostizierender künftiger Entwicklungen. Am 7. März 2018 seien dem Wahlvorstand nicht nur die Wählerliste in PDF-Form übersandt worden, sondern per E-Mail Excel-Sheets mit den Austrittsdaten ausscheidender Mitarbeiter wegen des mit Interessenausgleich vom 31. März 2017 beschlossenen Stellenabbaus, wobei die Stellen nicht neu besetzt werden sollten. Der Wahlvorstand sei über 29 Austritte informiert worden, wovon 11 in 2018 erfolgten, jedoch keiner vor dem 31. Juli 2018. Es treffe daher nicht zu, wenn der Wahlvorstand vortrage, „das vermeintliche Ausscheiden von 5 Arbeitnehmern sei der Wählerliste unstreitig nicht zu entnehmen“. Es treffe ferner nicht zu, dass es alleine auf die Kenntnis des Wahlvorstands im Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens ankomme. Dem Wahlvorstand seien sämtliche Austrittsdaten mitgeteilt worden. Er habe es unterlassen, sich die Excel-Sheets vollständig anzusehen. Der vormalige Betriebsrat sei über jeden Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung informiert worden. Danach seien 5 Mitarbeiter in 2018 in Form der Freistellungsphase ausgeschieden. Diese Information sei dem Wahlvorstand mit den erwähnten Excel-Listen mitgeteilt worden. Es sei ihm auch bekannt gewesen, dass eine Nachbesetzung der Stellen nicht erfolge. Mit 6 auf der Wählerliste stehenden Personen bestehe ein im August 2019 (ric...