Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Freistellungsanspruchs des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber setzt voraus, dass dieser (der Betriebsrat) von seinem Gläubiger in Anspruch genommen worden ist. Dies erfordert eine Rechnungsstellung an den Betriebsrat. Eine Übersendung der Rechnung an den Arbeitgeber reicht nicht aus.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1; RVG § 10

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 28.07.2016; Aktenzeichen 9 BV 3/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. Juli 2016 - 9 BV 3/16 - abgeändert:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller, eine Rechtsanwaltskanzlei, macht aus abgetretenem Recht gegenüber dem Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren geltend.

Im Betrieb des Arbeitgebers fand im April 2013 eine Betriebsratswahl statt, die vom Arbeitgeber erfolgreich angefochten wurde (ArbG Kassel 9 BV 5/13; Hess. LAG 9 TaBV 163/13, der Vertreterin des Betriebsrats zugestellt am 11. April 2014, Bl. 232 der beigezogenen Akte 9 TaBV 163/13). Eine Neuwahl des Betriebsrats fand in der Folgezeit nicht statt.

Ferner begehrte der Betriebsrat mit einem am 2. Dezember 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag die Errichtung einer Einigungsstelle. Das Arbeitsgericht Kassel gab dem Antrag des Betriebsrats am 11. Dezember 2013 statt (1 BV 2/13). Das Hessische Landesarbeitsgericht (4 TaBV 2/14) änderte auf die Beschwerde des Arbeitgebers den Beschluss des Arbeitsgerichts am 18. Februar 2014 ab und wies den Antrag zurück.

Mit Beschluss vom 15. Februar 2015 trat der Betriebsrat seinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber im Hinblick auf die Rechtsanwaltskosten des Beschlussverfahrens vor dem Arbeitsgericht Kassel 1 BV 2/13 sowie der Beschlussverfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht 9 TaBV 163/13 und 4 TaBV 2/14 bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe einer Hauptforderung von insgesamt 4699,36 € zuzüglich Nebenforderungen an den Antragsteller ab; insoweit wird auf Bl. 77 der Akten Bezug genommen.

Unter dem 23. Juni 2014 (Bl. 233, 234 d.A.) bzw. 25. August 2014 (Bl. 235 der Akten) übersandte die Rechtsanwaltskanzlei dem Betriebsrat mit der Bitte um Weiterleitung an den Arbeitgeber Gebührenrechnungen hinsichtlich der genannten Beschlussverfahren (Bl. 65, 69, 73 der Akten). Das Adressfeld der Rechnungen lautet jeweils:

An die

AGmbH

xxxx

xxxx

Eine Zahlung erfolgte trotz an den Arbeitgeber gerichteter Mahnungen nicht.

Im vorliegenden Beschlussverfahren macht der Antragsteller die Gebührenforderungen aus den Verfahren 1 BV 2/13 (ArbG Kassel), 4 TaBV 2/14 und 9 TaBV 163/13 (jeweils Hess. LAG) gegenüber dem Arbeitgeber geltend.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. der Gründe (Bl. 179-187 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag im Wesentlichen stattgegeben; diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 187-195 der Akten) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Arbeitgebers am 26. August 2016 zugestellt. Er hat dagegen am 26. September 2016 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 26. November 2016 am 28. November 2016 (Montag) begründet.

Der Arbeitgeber rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die genannten Verfahren vom Betriebsrat mutwillig und ohne jede Erfolgsaussicht geführt worden seien.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. Juli 2016 - 9 BV 3/16 - abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nachdem das Landesarbeitsgericht mit Verfügung vom 5. Dezember 2016 unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Juni 2003 - 7 ABR 42/02 - darauf hingewiesen hatte, dass deshalb Bedenken hinsichtlich einer Forderung gegen den Betriebsrat bestehen, weil die Honorarrechnungen unmittelbar dem Arbeitgeber zugeleitet wurden, ist der Antragsteller der Auffassung, es reiche aus dass die an den Arbeitgeber adressierten Rechnungen dem Betriebsrat mit der Bitte um Weiterleitung an den Arbeitgeber übersandt wurden. Die erfolgte Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Antragsteller sei wirksam. Die Rechtsanwaltsvergütung sei nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG auch fällig, da die Verfahren erledigt seien. Eine offensichtlich aussichtslose oder mutwillige Rechtsverfolgung des Betriebsrats habe in keinem der genannten Fälle vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, §...

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