Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht. Ordnung des Betriebes. technische Überwachungseinrichtung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Geltung von Mitbestimmungsrechten i. S. von § 87 Abs. 1 Zif. 1 und 6 BetrVG beim Einsatz von Servicemitarbeitern in Drittbetrieben.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 1, § 6
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.03.2002; Aktenzeichen 15/6 BV 66/02) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird derBeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25.03.2002 – 15/6 BV 66/02 – abgeändert.
Die Anträge des Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 1) zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden Betriebsrat) macht gegenüber der Beteiligten zu 2. (im Folgenden Arbeitgeberin) Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit dem Einsatz von Arbeitnehmern bei einer Kundenfirma der Arbeitgeberin geltend.
Der aus 23 Mitgliedern bestehende Betriebsrat der Arbeitgeberin vertritt die in deren Betrieb … … beschäftigten ca. 2000 Arbeitnehmer und Beamten.
Die Arbeitgeberin betreut u. a. im Rahmen eines Werkvertrages die Firma … (im Folgenden Kundenfirma). Sie ist dieser Firma gegenüber verpflichtet, einen 24 Stunden-Service für Störfälle zu gewährleisten. Wegen der bei der Kundenfirma installierten datenschutzbedürftigen Einrichtungen hat sie seit dem 15.12.2001 den Zugang zu ihren Betriebsräumen durch ein biometrisches Zugangssystem geregelt. Die von der Arbeitgeberin für Serviceleistungen zur Kundenfirma entsandten Arbeitnehmer können ihre dortige Tätigkeit erst nach Hinterlegung eines Fingerabdruckes aufnehmen, da anders die dortigen Sicherungsschleusen nicht passiert werden können. Der bei der Kundenfirma gebildete Betriebsrat hat der Einführung und Anwendung des biometrischen Systems zur Türöffnung zugestimmt (Schreiben des Betriebsrates vom 27.05.2002, Bl. 69 d. A.).
Die Arbeitgeberin hat mit der Kundenfirma am 17.01./02.02.2000 eine Zusatzvereinbarung bezüglich der dargestellten Zugangsprozeduren abgeschlossen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 6 bis 12 d. A.). Der Datenschutzbeauftragte der Arbeitgeberin hat sich nach Begehung der Einrichtungen der Kundenfirma darüber versichert, dass eine Übermittlung der im Rahmen der Zugangsprozeduren erhobenen Daten an die Arbeitgeberin technisch ausgeschlossen ist.
Der Betriebsrat hat gemeint, ihm stünden anlässlich des Arbeitseinsatzes von Mitarbeitern der Arbeitgeberin bei der Kundenfirma mit ihrem Zugangskontrollsystem Mitbestimmungsrechte gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG zu. Da diese verletzt würden, habe er einen entsprechenden Unterlassungsanspruch. Auch aus den §§ 75 Abs. 2 und 80 BetrVG hat er Ansprüche hergeleitet.
Er hat beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Beschäftigte der Niederlassung anzuweisen, bei der Firma … … einzusetzen, soweit von diesen verlangt wird, dass sie über ein biometrisches System Fingerabdrücke in einem so genannten Fingerprintscanner dort hinterlegen müssen, solange die Zustimmung des Betriebsrats nicht vorliegt bzw. die fehlende Zustimmung des Betriebsrats nicht durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist;
hilfsweise zu 1.,
- festzustellen, das die Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, Mitarbeiter anzuweisen, ihre Fingerabdrücke in einem biometrischen System der Firma … … zu hinterlegen, bevor mit dem Betriebsrat hierüber nicht verhandelt worden ist bzw. die fehlende Zustimmung des Betriebsrats durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;
- für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1, bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer, der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei nicht aktiv legitimiert. Der Schutzzweck des Betriebsverfassungsgesetzes reiche nicht soweit, dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bezüglich eines Drittbetriebes einzuräumen. Dort bestehende Mitbestimmungsrechte wurden von dessen Betriebsrat wahrgenommen. Auch sei der Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht erfüllt, da ihr, der Arbeitgeberin, keine Daten über das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer durch die Kundenfirma zur Verfügung gestellt würden. Es bestehe auch kein Regelungsspielraum hinsichtlich der von der Kundenfirma getroffenen Entscheidungen hinsichtlich des Zugangssystems.
Mit am 25.03.2002 verkündetem Beschluss hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main – 15/6 BV 66/02 – dem Hauptantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es festgestellt, die Entscheidung der Arbeitgeberin, Arbeitnehmer bei der Kundenfirma einzusetzen und sie zur Benutzung des dort installierten biometrischen Zugangskontrollsystems anzuweisen, unterliege der Mitbestimmung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Das Zugangssystem bei der Kundenfirma sei eine technische Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift, unabhängig von ...