Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Anfechtung. ausländische Arbeitnehmer. Unterrichtung
Leitsatz (amtlich)
Eine Betriebsratswahl ist mit einem zur Anfechtung berechtigenden erheblichen Verfahrensfehler behaftet, wenn im Betrieb beschäftigte zahlreiche ausländische Arbeitnehmer/innen nicht vor Einleitung der Wahl in einer § 2 Abs. 5 WO entsprechenden Art und Weise unterrichtet werden. Dies wird grundsätzlich durch Übersetzungen der Bekanntmachungen und Aushänge des Wahlvorstandes in die im Betrieb vertretenen Hauptsprachen zu geschehen haben, verbunden mit einem Hinweis, dass bei Bedarf die Übersetzung in weitere Sprachen abgefordert werden kann.
Normenkette
BetrVG § 19; WO 2001 § 2 Abs. 5
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2002 – 4 BV 166/02 – abgeändert.
Die Betriebsratswahl, die in der Zeit vom 20. bis 22. März 2002 durchgeführt worden ist, wird für ungültig erklärt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Antragsteller, die Beteiligten zu 1) bis 4), sind vier wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb der Beteiligten zu 6). Der Beteiligte zu 5) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 6) gewählte Betriebsrat.
In der Zeit vom 20. März 2002 bis zum 22. März 2002 fand im Betrieb der Beteiligten zu 6) eine Betriebsratswahl mit 1442 Wahlberechtigten zu einem Betriebsratsgremium von 15 Mitgliedern statt. Ausweislich des am 22. März 2002 bekannt gegebenen Wahlergebnisses entfielen auf die Liste 1 631 Stimmen, auf die Liste 2 47 Stimmen und auf die Liste 3 343 Stimmen; 28 Stimmen waren ungültig.
Im Betrieb der Beteiligten zu 6) sind etwa 1000 gewerbliche Mitarbeiter beschäftigt, von denen 70 % ausländischer Herkunft sind. Bei den etwa 400 Angestellten beträgt der Anteil der ausländischen Mitarbeiter rund 20 %. Im Unternehmen sind über 100 Nationalitäten vertreten. Die größte Gruppe der ausländischen Mitarbeiter stammt aus der Türkei; weitere Gruppen stammen aus Spanien, Italien, Griechenland, Serbien, Kroatien, Tunesien, Marokko, Japan, Thailand und den Philippinen. Wichtige Informationsschreiben der Geschäftsleitung werden in den im Betrieb vertretenen gängigen Sprachen verschickt. Der Betriebsrat bot wegen eines Schreibens der Geschäftsleitung vom 8. Mai 2003 Übersetzungen in verschiedene Sprachen wie Türkisch, Englisch, Spanisch, Thai, Vietnamesisch und Italienisch an Mit am 5. April 2002 bei Gericht eingegangener Antragsschrift haben die Antragsteller die Feststellung begehrt, dass die durchgeführte Betriebsratswahl rechtsunwirksam bzw. nichtig sei. Sie sind der Ansicht gewesen, die Betriebsratswahl sei aus zwei Gründen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Zum Einen, läge ein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO vor. Die Antragsteller haben insoweit behauptet, der weit überwiegende Anteil der ausländischen Mitarbeiter, die als Arbeiter im operativen Geschäft tätig seien, verfüge nur über sehr geringe deutsche Sprachkenntnisse. Sie seien noch nicht einmal in der Lage, Urlaubsanträge ordnungsgemäß auszufüllen. Mindestens die Hälfte aller ausländischen Mitarbeiter verfüge nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse, um einfache Formulare oder Arbeitsanweisungen, die außerhalb der täglichen Routine lägen, zu verstehen. Häufig würden einzelne Vorgesetzte von ausländischen Mitarbeitern gebeten, ihnen Briefe von Behörden oder der Personalabteilung zu erklären oder zu übersetzen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass ein großer Teil der ausländischen Mitarbeiter nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfüge, um die Grundzüge der Wahl sowie des Wahlverfahrens auf Grund des Wahlausschreibens und anderer Wahlinformationen zu verstehen. Gleichwohl sei vom Wahlvorstand nicht dafür gesorgt worden, die entsprechenden Unterlagen in die jeweiligen Muttersprachen zu übersetzen.
Des Weiteren – so die Ansicht der Antragsteller – habe der Wahlvorstand gegen § 25 Abs. 1 WO verstoßen. Die Antragsteller haben behauptet, der Wahlvorstand habe viele Mitarbeiter zur schriftlichen Wahl gedrängt. Auch viele Schicht -und Sachgebietsleiter hätten ihre Untergebenen aufgefordert, vorab in das Büro des Wahlvorstandes zu gehen. Dort seien einzelne Mitarbeiter von zwei Wahlvorstandsmitgliedern, dem Wahlvorstandsvorsitzenden G. und seinem Stellvertreter M., gedrängt worden, schriftlich zu wählen und ihre Stimme unmittelbar und unverzüglich im Wahlvorstandsbüro abzugeben. Einigen Mitarbeitern sei dabei gesagt worden, es müsse sofort abgestimmt werden, eine spätere Stimmabgabe sei nicht möglich; so sei bei der Mitarbeiterin F. vorgegangen worden, die ihre Unterlagen gerne mit nach Hause genommen und die Stimmabgabe dort vollzogen hätte.
Die Antragsteller haben beantragt,
festzustellen, dass die Wahl des Betriebsrates und...